© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
PRO&CONTRA
Zensur im Internet?
Horst Eberdinger / Anke Körner

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat es bereits angekündigt: In ein paar Jahren soll jedes Schulkind einen Laptop besitzen. Dies ist in der Tat ein sehr lobenswerter Schritt im Sinne der Modernisierung und Zukunftsorientierung der Gesellschaft. Doch nun folgen wir einmal dem Szenario. Jedes Kind, also auch die Schulkinder haben dann Zugang zu dem weltweiten Netz, in dem eine Menge an Informationen verfügbar sind. So braucht sich das Elternteil auch nicht zu wundern, wenn das Kind plötzlich Dinge erzählt, die es eigentlich noch nie hätte hören oder sehen sollen.

Bei pornographischen Seiten fängt es an, für die ein kleiner Klick ausreicht, um Bilder herunterzuladen die eindeutig auf den Index gehören. Erschwerend kommt noch hinzu, daß eine Kontrolle durch die Eltern fast unmöglich erscheint. Was nützen Hinweise, daß diese und jene Seite nicht für Jugendliche unter 18 geeignet ist – verbotene Früchte schmecken bekanntlich am besten. Am meisten Sorgen bereiten mir jedoch Seiten, die Gewalt als Spiel verkaufen. Woher soll ein Kind den Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit kennen?

Es muß gehandelt werden, bevor Dinge geschehen, die wir dann nicht mehr umkehren können. Alles unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zuzulassen kann nicht wünschenswert sein! Es sind nur wenige, die Gewalt oder Extremismus ins Netz stellen, jeder ist jedoch zuviel.

Die Aufgabe zur Bekämpfung erfordert nicht nur deutsche, sondern weltweite Beteiligung. Was nützen uns strengste deutsche Richtlinien und Gesetze, wenn der Benutzer sich mit Links durch alle Kontinente klicken kann und so – vielleicht nicht einmal beabsichtigt – Seiten findet, die es zu verbieten gilt. Was hier benötigt wird, ist ein globales Kontrollsystem – nicht zum Schutz vor unliebsamen Meinungen, sondern zum Schutz unserer Jugend.

 

Horst Eberdinger ist Lehrer an einer Grundschule

 

 

In letzter Zeit wurde immer wieder die Forderung laut, Inhalte im Internet zu zensieren. Das Internet ist keine lokale, sondern eine globale Angelegenheit. Ein, zwei Klicks, und schon gelangt man von seinem Computer auf einen im Ausland stehenden Server. Und hier fängt die Globalisierung an. Welches Recht gilt, wenn die Inhalte der Seiten gegen deutsches Recht verstoßen? Deutsches oder das des jeweiligen Landes? Wer soll abschalten?

In der Diskussion kam auf, die Provider dies selbst tun zu lassen. Dies wäre tatsächlich der einfachste Weg. Aber wollen wir, daß wegen des Vorgehens gegen extreme Tendenzen oder Pornographie unser Rechtsstaat und unsere Gesellschaft, die Worte und der Geist des Grundgesetzes ignoriert werden? Inhalte zu verbieten erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte und sollte nur nach strenger Prüfung erfolgen. Man darf das Grundgesetz nicht aushöhlen, indem man zu Selbstjustiz oder blinder Zensur greift. Vorauseilender Gehorsam ist nicht minder gefährlich. Jeder darf in diesem Land seine Meinung sagen, solange er sich an die Gesetze hält, nicht zur Gewalt auffordert oder verfassungsfeindliche Aussagen macht.

Das Vorgehen gegen radikale Meinungen oder pornographische Inhalte muß immer Hand in Hand mit der Verteidigung der Meinungsfreiheit gehen. Zivilcourage ist gefragt, niemand darf einfach wegsehen. Wer solche Inhalte sieht, hat das Recht, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Nur so kann die so heftig geforderte Kontrolle aussehen.

Außerdem wird bei der Diskussion eines gerne vergessen: Die angesprochenen Inhalte machen nur einen Promille-Anteil des Internets aus. Die Mehrzahl der Internet-Kunden benutzen das Netz für seriöse Angebote. Dabei soll und wird es auch bleiben – wenn wir alle nur ein bißchen die Augen aufhalten.

 

Anke Körner ist Marketingleiterin der VIA NET.WORKS Deutschland GmbH


 
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