© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
Streit um Zwangspfand spitzt sich zu
Umweltschutz: Eine Ökobilanz über Getränkeverpackungen kommt zu überaschenden Ergebnissen
Volker Kempf

Das Umweltbundesamt (UBA) präsentierte zusammen mit Bundesumweltminister Jürgen Trittin am 9. August das Ergebnis des "Gutachten über die Umweltverträglichkeit von Getränkeverpackungen von alkoholfreien Getränken sowie von Wein". Ein Hintergrundpapier stellt die wichtigsten Ergebnisse vor; die Studie soll demnächst in Buchform publiziert werden.

Das wichtigste Ergebnis des im Auftrag des UBA erstellten Gutachtens lautet: Glas-Einwegsysteme sowie Getränkedosensysteme schneiden ökologisch besonders schlecht ab. Gerade beim Aluminium ist schon lange bekannt, daß der Energieverbrauch bei der Herstellung immens ist. Zur Produktion einer Tonne Aluminium ist 27mal so viel Energie notwendig wie bei der Erzeugung der gleichen Menge Glas. Werden beide Stoffe wiederverwendet verbessert sich die Energiebilanz jeweils deutlich, wobei Aluminium noch immer schlechter abschneidet als Glas. Als Alternative zu Glas und Aluminium gibt es Kartonverpackungen. Diese seien mit Glas-Mehrwegsystemen, was die Ökobilanz betrifft, durchaus konkurrenzfähig. Was die beliebten, weil leicht zu transportierenden PET-Mehrwegflaschen anbelangt, so seien diese gegenüber den bestehenden Glas-Mehrwegsystemen (zumindest bei den untersuchten CO2-haltigen Erfrischungsgetränken und bei Mineralwasser) sogar umweltfreundlicher. Welche Folgerungen aus diesen Erkenntnissen die Politik ziehen soll, fällt in der Bewertung zwischen dem Umweltminister, dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie der betreffenden Industriebranche unterschiedlich aus.

Trittin will Mitte 2001 ein Zwangspfand auf Weißblechgetränkedosen sowie auf Einwegflaschen einführen. Der Umweltminister beruft sich dabei auf die noch unter der CDU/CSU und FDP geführte Regierung, die vorgesehen hatte, im Falle einer über drei Jahre währenden Unterschreitung der Mehrwegquote von 72 Prozent ein Zwangspfand einzuführen. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Matini (SPD) zweifelt unterdessen an der Wirkung eines Zwangspfandes zur Reduzierung des Getränkedosenaufkommens und sieht statt dessen Kosten auf die Wirtschaft in Milliardenhöhe zukommen, die an die Verbraucher weitergeleitet würden. Der BUND kritisierte Trittins Zwangspfandvorhaben ebenfalls. Statt Dosen über ein Zwangspfand dem Mehrweg zuzuführen, hob BUND-Sprecher Olaf Bandt gegenüber der Thüringer Allgemeinen vom 10. August die Vorteile einer generellen Verpackungssteuer hervor, die Mehrwegverpackungen begünstigen solle. Auch meldet der BUND Zweifel an den Indikatoren des vorgelegten Gutachtens an, welche Einweggetränkeverpackungen aus Karton als CO2-neutral ausmachen würden. Olaf Bandt erklärt in einer BUND-Pressemitteilung vom Mitwoch, dem 9. August wörtlich: "Die Studie des Umweltbundesamtes behauptet, Getränkeverpackungen aus Karton würden CO2-neutral hergestellt, weil dabei Holz als Energiequelle diene. Holz binde schließlich beim Nachwachsen genauso viel Kohlendioxid, wie beim Verbrennen frei geworden sei. Diese Logik ist absurd, denn sie bedeutet, daß es egal ist, wieviel Energie man verschwendet, solange sie nur aus Holz gewonnen wird. Dabei geht es doch gerade darum, den Energieverbrauch insgesamt zu senken." Damit nicht genug, macht der BUND Fehler bei der Berechnung der Transportwege von Getränkeverpackungen zugunsten der Ökobilanz von Einwegverpackungen aus. Auch sei, mit der Wirklichkeit unvereinbar, der Transport von Getränkeverpackungen ohne Inhalt unterstellt worden, was die Bilanz ebenfalls zugunsten der leichten Kartonverpackungen verzerrt habe.

Die von der Industrie eingerichtete Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU) sieht hingegen die Innovationsleistung der betreffenden Branche zugunsten von Einweggetränkeverpackungen bestätigt. Einwegverpackung sei nicht mehr eindeutig Mehrwegverpackungen unterlegen. Daher appelliert die AGVU in ihrer Pressemitteilung vom Donnerstag, dem 10. August, an alle beteiligten Institutionen, die für Mitte 2001 drohende Einführung eines Zwangspfandes auf Einwegverpackungen für Bier, Wein und Mineralwasser abzuwenden.

So geht aus dem von Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium vorgelegten Gutachten eindeutig nur hervor, daß Einweg-Weißblechgetränkedosen wie auch Einweg-Getränkeflaschen ökologisch nachteilig sind. Maßgaben zu den daraus zu ziehenden Folgerungen für die politischen Akteure gehen unterdessen aus keinem amtlichen Gutachten hervor, weshalb Trittin gut beraten wäre, in Absprache mit Umweltverbänden und Industrie gangbare Schritte auszuloten.

Mit seinem jetzigen Vorstoß für ein Zwangspfand macht sich der bündnisgrüne Umweltminister unterdessen weder beim BUND, noch bei der entsprechenden Getränkeverpackungsbranche Freunde. Unumstritten bleibt aber, daß Getränke aus der Region die beste Ökobilanz aufweisen. Trittin läßt sich daher ein Glas Wasser aus der Leitung besonders schmecken. Über Nachahmer dürfte die Verpackungsbranche allerdings wenig begeistert sein.


 
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