© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000


Scheinkompetenz
von Alexander Barti

Jetzt will der Kanzler im Osten nach dem rechten sehen. Die Tourplanung hat die großen Städte ausgespart und möchte den illustren Gast Orte zeigen, an denen sich sonst Fuchs und Hase guten Abend sagen. Vom Ansatz her mag die Idee sogar löblich sein, doch leider scheint der Medienkanzler vergessen zu haben, daß man im Zeitalter der Massen und der für sie konzipierten Kommunikationsmittel nicht in staubige Käffer fahren muß, um ein gesamtgesellschaftliches Problem zu lösen. Das Problem heißt allerdings nicht "Rechtsextremismus", sondern "Globalisierungsverlierer". Insofern bringt es überhaupt nichts, wenn man in einem Kindergarten strahlend Hände schüttelt oder ein Glas Wasser aus der berühmten Marienquelle in Bad Elster zu sich nimmt. Der desolate wirtschaftliche Zustand einer Region, die gnadenlos deindustrialisiert wurde, ändert sich nicht durch Erfrischungsrituale. Die Menschen wollen Arbeit und eine Perspektive für ihr Leben. Das hat Gerhard Schröder aber nicht im Gepäck. Während bei Reisen in den fernen Osten ein ganzer Troß von Wirtschaftsbossen Geleitschutz gibt, um Milliardeninvestitionen auszuhandeln, ist diesmal hauptsächlich die Medienmeute dabei. Denn was die Regierung jetzt braucht, ist ein schwungvoller Start aus der Sommerpause. Dramatische Appelle gegen "rechte Schläger", verbunden mit harmonischen Bildern einer sonnigen Landpartie und vielen lachenden Gesichtern sind die beste Voraussetzung für rührige Bilder und Filmsequenzen. Die Lösung der Probleme wird ausgeblendet. Hauptsache ist, daß der Schein politischer Kompetenz gewahrt bleibt.


 
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