© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
Zu hoch gepokert
Der Verteilungskampf um die UMTS-Milliarden ist voll entbrannt
Bernd-Thomas Ramb

Das sensationelle Versteigerungsge schäft ist gelaufen. Knapp 100 Milliarden Mark hat die Bundesregierung für die 12 Frequenzlizenzen zur Funkübertragung von Daten nach dem "Universal Mobile Telecommunications System" erhalten.

Die neue UMTS-Übertragungstechnik soll 200mal schneller als die bisherige Handy-Technik und 30mal schneller als die Festnetztechnik ISDN sein. Neben der bisherigen Sprach- und Textübertragung wird damit die Möglichkeit der Bildübertragung mit akzeptablen Übertragungsgeschwindigkeiten eröffnet. In Aussicht gestellte Videosendungen stoßen allerdings bei den Technikern eher auf Skepsis. Der Grat des technischen Fortschritts ist somit schmal bemessen und die Versprechen der Händler und Betreiber "Die mobilen Telefone der Zukunft sind Turbo-Handys mit Videokamera und Internetzugang" an der justitiablen Grenze des Werberechts.

Der ernüchternden Produktbeurteilung steht die kaufmännische Bilanz gegenüber. Sie enthält aus der Sicht aller Käufer einen bitteren Beigeschmack, wie auch die Beurteilung der verkaufenden Bundesregierung wenig schmeichelhaft ausfallen kann. Das Ziel der Hauptbieter, der Deutschen Telekom und Mannesmann/Vodafone, durch beharrliches Bieten für den Erwerb von jeweils drei der zwölf Lizenzpakete unliebsame Konkurrenten aus dem Rennen zu werfen, wurde teuer verfehlt. Die paarweise Verteilung der 12 Lizenzen auf sechs künftige Konkurrenten hätten die Bieter auch für zwei Drittel des Endpreises haben können. Allerdings trifft die nun erzielte Preishöhe der Einzellizenzen die erwerbenden Firmen sehr unterschiedlich. Rücklagenreiche Unternehmen wie die Deutsche Telekom können einen Lizenzpreis von über 8 Milliarden wesentlich leichter verkraften als marginale Netzanbieter wie E-Plus. Nicht abwegig erscheint daher die langfristige Kalkulation der Großen, daß einige Lizenzerwerber mit diesem finanziellen Kraftakt ihren wirtschaftlichen Untergang eingeläutet haben und als künftige Übernahmekandidaten eine dritte Lizenz zum Schnäppchenpreis in Aussicht stellen.

Das Lamento des Telekom-Chefs Ron Sommer über die Ungerechtigkeit der Versteigerung bezieht sich somit auch nicht auf die von ihm mit verursachte Preistreiberei, sondern auf die europäische Ungleichbehandlung. Während Länder wie Spanien und Frankreich ihre nationalen Lizenzen ihren nationalen Telefongesellschaften für ein Almosen zuschanzten, hatte die Deutsche Telekom in diesen Ländern keine Chance, mußte aber im eigenen Land für die einheimische Lizenz teuer bezahlen. Eine einheitliche europäische Regelung wäre aus der Sicht des europäischen Wettbewerbs in der Tat gerechter gewesen. Hier hat Brüssel offensichtlich geschlafen – oder sich bewußt totgestellt.

Wird die Wettbewerbssituation tatsächlich realisiert und keiner der kleineren Lizenznehmer von den größeren aufgekauft, ist ein harter Preiswettbewerb unausweichlich. Gewinner wäre demnach der Kunde, Verlierer der Aktionär. Die bröckelnden Aktienkurse sämtlicher lizenznehmenden Firmen signalisieren bereits die Befürchtungen des hochsensiblen Wertpapiermarkts. Andererseits kann im schärfsten Preiskampf kein Unternehmen auf Dauer Verlustgeschäfte durchstehen. Ein gewisser Mindestpreis wird daher nicht unterschritten werden. Die Anwendung der neuen Technik könnte somit zu einer teuren Angelegenheit werden. Also doch der Verbraucher, der die Zeche zahlt – oder sich mit der alten Technik länger begnügt, als es den Technikfreaks der Telekommunikationsunternehmen lieb ist.

Einziger sicherer Gewinner scheint der Lizenzverkäufer zu sein, der aus dem Nichts heraus Geld gemacht hat. Doch dieser erste Blick täuscht. Der Streit um die Verwendung der unverhofft hohen staatliche Zusatzeinnahmen signalisiert bereits, daß sich je nach Entscheidung der Bundesregierung unterschiedliche Verlierermentalitäten herausbilden können. Auf den breitesten Applaus ist das Beharren Eichels gestoßen, die Einnahmen ausnahmslos zur Reduzierung der Staatsverschuldung zu verwenden. Die eingesparten Zinszahlungen in Höhe von 4 bis 5 Millionen Mark jährlich will man generös zum Straßenbau oder für Bildungsausgaben, also weitgehend für Staatsinvestitionen verwenden. Warum aber gilt nicht auch für diese "Einnahmen": Einsetzen zur Reduktion der Staatsschulden? Entweder hat die schnellstmögliche Verringerung der Schuldenlast Vorrang oder nicht.

Auch das Argument, daß die Belastung des Kreditmarktes, auf dem die Lizenznehmer nun über Firmenanleihen das Geld zur Finanzierung ihrer Lizenzabenteuer suchen, verringert und Zinserhöhungen vermieden werden sollen, greift nur zum Teil. Die zusätzliche Belastung des Kreditmarktes beträgt nicht 100 Milliarden. Ein Teil der Lizenzausgaben wird durch Firmenrücklagen finanziert, ein anderer durch den Zufluß von Auslandsgeldern. Es bliebe also aus dieser Sicht Manövriermasse. Andererseits könnte der Schuldenberg über den Lizenzerlös hinaus durch Haushaltskürzungen reduziert werden. Wo liegt also nun das richtige Maß der Schuldenreduzierung? Der Streit um die Verwendung der UMTS-Milliarden offenbart wieder einmal die Unfähigkeit der Bundesregierung, eine zukunftsweisende Haushalts- und Finanzpolitik zu konzipieren.


 
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