© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
UMWELT
Der Mensch – auch nur ein Huhn
Volker Kempf

Deutschland ist 1945 sehr klein geworden und mit über achtzig Millionen Menschen – allein ökologisch betrachtet – äußerst dicht besiedelt. Von dieser Warte aus gesehen ist es gar nicht so schlimm, wenn ab 2050 nur noch 60 oder 70 Millionen Menschen hier leben.

Die letzten Reste von – vergleichsweise –unbearbeiteter Natur, sogenannte "Naturschutzgebiete", werden von erholungs- und freizeitbedürftigen Menschenmassen heimgesucht.

Dies sollte man eigentlich meinen. Nicht nur Dreck und Lärm scheinen davon auch Zeugnis abzulegen. Doch wer in einem Ballungsraum, beispielsweise dem Ruhrgebiet, nahe gelegene Wälder und Wiesen besucht, trifft so viele Menschen gar nicht an. Ab und an kommt einem ein Spaziergänger entgegen. Dieser trägt nicht selten einen Köpfhörer und hört Musik von einem "Diskman". Schließlich könnte man sonst ja ein beängstigend ungewohntes Vogelgezwitscher oder aber einfach gar nichts hören, also auf Ruhe stoßen.

Erst an einem Minigolfplatz angekommen, trifft man wieder Menschenmassen an. Diese sind in Jubel, Trubel und Heiterkeit mit dem Mittelklassewagen durch das Grün gerauscht, schwingen den Minigolfschäger, trinken ein, zwei Bier und fahren wieder in ihre Großstadt zurück. Dort wohnen – bzw. sitzen – sie wie die Hühner auf einem Haufen – in Hochhäusern oder bestenfalls in Reihenhäusern – dicht an dicht.

Ja, die Hühner sind nicht anders; die ziehen die Wärme einer Masse von ihren Artgenossen auch der Einsamkeit im Freien vor. Der Mensch, wahrhaft auch nur ein Tier.


 
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