© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Auf des Messers Schneide
Sachsen: Die Opposition fordert geschlossen den Rücktritt von Steffen Heitmann / CDU-Politiker erstattet Strafanzeige gegen den Justizminister
Paul Leonhard

Sachsens Justizminister Steffen Heitmann ist unter politischen Druck geraten. Übereinstimmend fordern SPD, PDS und FDP den Rücktritt des CDU-Politikers. Der Grund: Heitmann soll Informationen aus einem Ermittlungsverfahren gegen den Görlitzer Finanzdezernenten an Parteifreunde weitergegeben haben.

Konkret hatte ihn 1997 der Görlitzer CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Volker Bandmann um Informationen über die "laufenden Vorermittlungen gegen den Beigeordneten für Finanzen der Stadt Görlitz, Rainer Neumer, wegen angeblicher Veruntreuung im Rahmen seiner vorübergehenden Tätigkeit als Geschäftsführer der Stadtreinigung Görlitz", gebeten. So hatte es sich Heitmann am 19. August 1997 notiert und seinen Hauptabteilungsleiter III um eine möglichst rasche Klärung der Vorwürfe sowie "beschleunigte Behandlung" gebeten. Genau diesen Vermerk entdeckte Giesen beim Studium von Akten aus dem Hause Heitmann.

Für den Datenschutzbeauftragten ein "schwerwiegender und umfangreicher" Verstoß gegen den Datenschutz, wie es ihn bisher im Freistaat noch nicht gegeben habe. Heitmann habe aber gleichzeitig gegen das Ministergesetz verstoßen, indem er unberechtigt Daten über ein laufendes Ermittlungsverfahren an einen Parteifreund weitergegeben habe, monierte Giesen und sprach dem Staatsminister eine "Förmliche Beanstandung" aus.

Heitmann zeigte sich inzwischen reumütig. Aus heutiger Sicht sei es ein Fehler gewesen, damals dem Wunsch Bandmanns nachgekommen zu sein, räumte der Staatsminister ein. Er nehme die Rüge des Datenschützers sehr ernst. Allerdings habe er lediglich über den Stand der Ermittlungen, nicht aber über Inhalte berichtet.

Inzwischen hat der frühere CDU-Oberbürgermeister von Görlitz, Matthias Lechner, bei der Generalstaatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Geheimnisverrats gegen Heitmann erstattet. Das ehemalige Stadtoberhaupt meint, Bandmann habe Heitmanns Insiderwissen genutzt, um die Aufklärung der Vorwürfe gegen den Finanzdezernenten zu verhindern. Gegen den hatte Lechner einst das Verfahren angestrengt. Neumer soll rund drei Millionen Mark vergeudet haben. Allerdings ist das Verfahren bis heute nicht abgeschlossen.

Es ist nicht das erste Mal, daß Giesen Heitmanns Umgang mit Akten und Verfahren beanstandet. Bereits im Frühsommer hatte der Datenschützer dem Minister mangelndes Amtsverständnis vorgeworfen. Heitmann mische sich in die Belange der Staatsanwaltschaften ein und lasse sich ohne ausreichende Begründungen Berichte über Verfahren liefern. Bis zu fünfzig sollen das pro Woche gewesen sein. Ein Jahr zuvor war Heitmann in die Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, daß er angeblich in Zusammenhang mit einem Kinderschänderprozeß die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den ehemaligen Innenminister Heinz Eggert (CDU) unterbunden hatte. Nach einem Telefongespräch zwischen einem Ministerialbeamten und der Generalstaatsanwaltschaft waren die Ermittlungen eingestellt worden. Sachsens oberster Datenschützer hatte auch diese Notizen entdeckt. Diese "vom Staatsminister persönlich ausgelöste Einflußnahme" sei rechtswidrig gewesen, stellte Giesen fest. Ebenfalls 1999 beanstandete der Datenschützer einen "Durchgriff" auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit: Der Minister hatte sich offenbar über einige Fälle einer Kammer des Dresdner Verwaltungsgerichts informieren lassen. Sein Parteifreund Herbert Wagner, Oberbürgermeister der Elb-stadt, hatte ihn gebeten, die Verfahren, bei denen die Stadt die Beklagte war, gegebenenfalls zu beschleunigen. Für Giesen ein Eingriff in die Unabhängigkeit des Richters, ein "kategorischer Vorgesetztenukas" und eine Verletzung der Gewaltentrennung zwischen Regierung und Justiz.

Inzwischen haben erneut Verwaltungsrichter vorgetragen, daß das Ministerium ihre richterliche Unabhängigkeit gefährde. Es werde versucht, Einfluß auf ihre Entscheidungen zu nehmen. So soll Heitmann empfohlen haben, beispielsweise bei Streitigkeiten über Berufsunfähigkeitsrenten die Verfahren nicht durch zu viele Gutachten in die Länge zu ziehen. Der "gesunde Menschenverstand" würde genügen.

Die Vorwürfe, daß Staatsanwälte und Richter der politischen Einflußnahme ausgesetzt seien, hat Heitmann inzwischen als "Beleidigung" zurückgewiesen. Gleichzeitig mußte er allerdings eine von Giesen und Justizstaatssekretär Stefan Franke unterschriebene neue Richtlinie absegnen, die sein Recht, Berichte über Ermittlungen anzufordern, drastisch einschränkt. Künftig darf sich Heitmann Informationen nur noch über den Generalstaatsanwalt verschaffen. Dabei muß der Grund in den Akten festgehalten und der Dienstweg eingehalten werden.

Ob Heitmanns Tage als Jusitzminister damit gezählt sind, bleibt offen. Während die Opposition geschlossen seinen Rücktritt fordert, bleiben auch Sachsen-Union und CDU-Landtagsfraktion auffällig auf Distanz. Lediglich die Landesgruppe Sachsen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sprach ihm ihr "volles Vertrauen" aus. Allerdings wurde dabei lediglich auf die "großen Verdienste während der Revolution 1989/90" des früheren Kirchenmannes als Rechtsberater der Dresdner "Gruppe der 20" und seine Rolle als Mitgestalter der sächsischen Verfassung hingewiesen. Kein Wort fiel zu den aktuellen Vorwürfen.


 
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