© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Wenn der Staatsanwalt zweimal klingelt
Nordrhein-Westfalen: In der Pofalla-Affäre wittert die CDU politische Einflußnahme der Justiz
Alexander Schmidt

Trotz Parteispendenaffären und Skandalen um die Union waren die nordrhein-westfälischen Christdemokraten bis kurz vor der Landtagswahl fast siegessicher, Jürgen Rüttgers wurde damals als künftiger Ministerpräsident gehandelt und hatte sich bereits sein Schattenkabinett zusammengestellt. Mit darin: der Aufsteiger Ronald Pofalla als Justizminister, bei dem nur drei Tage vor der Wahl unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehung Wohnung und Büroräume von der Polizei durchsucht wurden. Für die Behörden war die Herkunft von 700.000 Mark, die der Rechtsanwalt aus einem Hausverkauf erzielt hatte, unklar.

Da das Verfahren bereits 1996 geschlossen war, argumentierte die Staatsanwaltschaft mit Verjährung, um den Bundestag von der Aufhebung der Immunität, über die der Bundestagsabgeordnete Pofalla verfügt, zu überzeugen. Obwohl Straftaten von Abgeordneten auf Grund von Ausnahmeregelungen nicht verjähren können, ließ der Deutsche Bundestag unter Parlamentspräsident Wolfgang Thierse (SPD), Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Generalstaatsanwalt Selter (SPD) zu, die Ermittlungen gegen Pofalla zu eröffnen.

Jetzt wurde bekannt, daß die Anschuldigungen gegen Pofalla haltlos waren, das Landgericht Kleve stellte Mitte August in einem Beschluß fest, daß alle Vorwürfe gegen Pofalla von Anfang an unbegründet und die Maßnahmen gegen ihn sogar rechtswidrig waren. Es habe keine Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht gegen den Abgeordneten gegeben. Der Vorsitzende der 9. Strafkammer des Landgerichtes Kleve wirft den Ermittlungsbehörden so viel Ignoranz vor, die er in seiner 30jährigen Zeit als Richter noch nicht erlebt habe. Der Untersuchungsausschuß des Klever Landgerichtes hat inzwischen bestätigt, daß kein Hinweis auf einen anderen Komplex, mit dem die Durchsuchung nachträglich gerechtfertigt werden sollte, vorhanden ist.

Inzwischen räumte der nordrhein-westfälische Justizminister Jochen Dieckmann ein, daß er einen Fehler begangen habe, verteidigte sich jedoch damit, daß die Ermittlungsakten nie im Düsseldorfer Ministerium gewesen seien. Zu allen weiteren Vorwürfen wolle er im Rechtsausschuß Stellung beziehen. Dieser wird noch bis Mitte September in der Sache Pofalla ermitteln, um dann in einer öffentlichen Sondersitzung Ergebnisse zu eröffnen. Die Union sieht indes einen Justizskandal sondergleichen, die Vorfälle hätten eindeutig Einfluß auf die Wahlentscheidung bei der Landtagswahl gehabt, die die SPD mit knapp sechs Prozentpunkten vor der CDU gewann.

Da Pofalla ebenso der mit der Aufklärung der Steuerungereimtheiten des früheren SPD-Geschäftsführers Bodo Hombach beauftragt worden war, sagten viele Unionsmitglieder, es rieche nach politischer Justiz.

Inzwischen bereitet Pofalla eine Klage beim Bundesverfassungsgericht vor und hat seine Anwälte damit beauftragt, Schadensersatzforderungen gegen das Land geltend zu machen sowie Strafanträge wegen Rechtsbeugung zu prüfen.

Nach der Sitzung des Rechtsausschusses wurde Dieckmann von der Union der Lüge bezichtigt. er habe vor dem Ausschuß bewußt oder, weil er schlecht informiert ist, die Unwahrheit gesagt.

Vorerst will die Union keine Rücktrittsforderungen an den Justiz- oder Finanzminister stellen, zuvor müßte die Sachaufklärung im Ausschuß abgewartet werden.

Im Büro des Abgeordneten Pofalla werden die Ereignisse eher nüchtern betrachtet. Bevor man tatsächlich politische Forderungen stelle, müsse die trübe Suppe, in der zur Zeit gefischt wird, geklärt werden. Spekulationen, wonach ein Erfolg Pofallas vor Gericht das Anfechten der vergangenen Landtagswahl zur Folge haben könnte, bestätigte ein Mitarbeiter Pofallas im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT jedoch nicht.


 
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