© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Bruch des Maastricht-Vertrages
Euro: Höhere deutsche Beiträge für die UNO / Ölpreis auf Rekordhoch / Wird die Europäische Zentralbank entmachtet?
Ronald Gläser

In Hochglanzbroschüren und auf aufwendigen Internetseiten verkünden die Bundesregierung, Banken und die zuständigen EU-Instanzen die frohe Botschaft vom stabilen Euro. Und mit Blick auf die deutschen Sparer läßt der Bundeskanzler vermelden: "Alles klar auf der hohen Kante".

Das Gegenteil ist wahr. Für einen Euro bekommt man gerade noch 90 Cent eines US-Dollars. Unternehmen, die ins Ausland exportieren, profitieren durch die höheren Erlöse auf DM-Basis natürlich davon. So konnte die europäische Airbus-Industrie unlängst ihre Pläne zum Kapazitätsausbau veröffentlichen. In zwei Jahren sollen monatlich 38 statt bisher 22 Flugzeuge ausgeliefert werden.

Aber natürlich verschlechtert diese Situation die Lage der importierenden Unternehmen. Und jetzt trifft es auch die Bundesregierung selbst. In einer lapidaren Mitteilung an den Bundestag betreffend die außerplanmäßigen Mehrausgaben im zweiten Quartal unterrichtetete die Bundesregierung, daß sie weitere 271 Millionen Mark an die Vereinten Nationen zu entrichten habe. Der Grund sei das ungünstige Wechselkursverhältnis zwischen D-Mark und Dollar. In Wirklichkeit handelt es sich natürlich um das miserable Wechselkursverhältnis zwischen Mark und Greenback.

Auch die Banken, die sich an erster Stelle jahrelang für den Euro eingesetzt haben, sind in Erklärungsnot. In ihrem jüngsten Devisenbrief listete die Bankgesellschaft Berlin unter der Überschrift "Widersprüchlich" alle Gründe für einen starken Euro auf: die Inflationsdaten, zunehmendes Wirtschaftswachstum in Europa einerseits und leichte Abkühlung in den Vereinigten Staaten andrerseits. Überzeugende Gründe für die aktuelle Euro-Schwäche nennen die Finanzanalysten in ihrer optimistischen Einschätzung dagegen nicht.

Tatsache ist, daß wir es nicht mit einer Dollar-Stärke, sondern eben mit einer Euro-Schwäche zu tun haben. Dafür spricht zum Beispiel die Tatsache, daß in den USA die Auftragseingänge für langlebige Güter um zwölf Prozent zurückgegangen sind. Die Hälfte davon war erwartet worden. Übrigens ging dieser Auftragsrückgang insbesondere zu Lasten des Airbus-Konkurrenten Boeing, der weit weniger Aufträge erhielt. Außerdem hat die Arbeitslosigkeit während der sonst erfolgsverwöhnten Sommermonate in den USA zugenommen.

Zu den Gründen für dieses Absacken des Euro, der bald unter die Tiefstkurse aus dem vergangenen Mai fallen könnte, gehören die substantiellen Inflationsgefahren. Der Anstieg der Erzeugerpreise ist in Deutschland mit mehr als drei Prozent so hoch wie noch nie in den letzten neun Jahren. Und diese Woche entscheidet die Bundesbank erstmals seit der Sommerpause über weitere Zinserhöhungen. Die Europäische Zentralbank hat diesen Schritt bereits unternommen.

Aber der Hauptgrund scheint doch das mangelnde Vertrauen in die Zusammensetzung der Teilnehmerstaaten der Eurozone, zu denen sich ja auch demnächst Griechenland gesellen wird. Die Unabhängigkeit der EZB wird angezweifelt. Und der französische Wirtschafts- und Finanzminister hat in der vergangenen Woche seinen Beitrag dazu geleistet, die Rolle der EZB weiter zu unterminieren. Laurent Fabius möchte wegen der drohenden Inflation durch die Regierungschefs ein "Inflationsziel" definiert sehen, das dann von der Europäischen Zentralbank umzusetzen sei.

Aber die Inflation dürfte genau durch solche Forderungen nach Einschränkung der Souveränität der Zentralbanker angeheizt werden. Allein die Androhung einer solche Kompetenzverschiebung zeigt, daß die Kriterien für die Preisstabilität nicht so genau genommen werden. Der bayerische Landeszentralbankpräsident Franz-Christoph Zeitler drückte in einem Interview seine Sorge über diese Forderung aus und sprach von einem "Bruch des Maastricht-Vertrages". Außerdem warnte er vor der schnellen Aufnahme osteuropäischer Länder in die Währungsunion.

Zu den für jedermann offensichtlichen und auch spürbaren Auswirkungen der Euro-Schwäche gehört natürlich der Ölpreis. Öl wird in US-Dollar gehandelt. Der Preis ist ohnehin recht hoch, obwohl einige Länder bereits an ihrer Kapazitätsgrenze Öl fördern. Vergangene Woche überstieg der Preis für das Barrel Öl die 30-Dollar-Marke. Und ein Rückgang ist vor dem bald einsetzenden Winter nicht in Sicht. Die Rekordpreise an den Tankstellen sind nicht nur auf die Ökosteuer zurückzuführen. Per Saldo steigt die Inflation nur deshalb nicht deutlicher, weil beispielsweise in der Telekommunikationsbranche die Preise weiterhin deutlich fallen.

Zu den Unternehmen, die unter dieser ganzen Entwicklung zu leiden haben, gehört zum Beispiel der Energieriese E-on, der aus einer Fusion von Viag und Veba hervorgegangen ist und derzeit sein Bild durch eine Öffentlichkeitskampagne aufpolieren möchte. E-on ist kein exportierendes Unternehmen und steht wegen der Liberalisierung auf dem Strommarkt ohnehin unter Druck. Eines der wichtigsten Standbeine von E-on ist der Ölbereich. Veba war und E-on ist unter anderem der Mutterkonzern von Aral. Und in dieser Sparte mußte Veba schon 1999 unverschuldet einen Rückgang im Betriebsergebnis von 66 Prozent hinnehmen.

Diese Turbulenzen bleiben nicht ohne Folgen für eine Volkswirtschaft. Natürlich können Währungsschwankungen dem schwergewichtigen Euro längst nicht so viel anhaben wie vor drei Jahren dem thailändischen Bath oder vor zwei Jahren dem russischen Rubel. Nachhaltige Spuren könnte der geringe Außenwert des Euro schon hinterlassen. Ausländische Investoren können ganze Industriezweige für deutlich weniger Geld aufkaufen.

Die Bundesregierung hat ganz offensichtlich kein Konzept für den Euro. Statt die anhaltende Währungsschwäche aufs Korn zu nehmen, wird jetzt offen eine ganz andere Art von Sicherheitsmaßnahmen debattiert: Wer bewacht den Geldumtausch im Jahr 2002, und wer muß für die anfallenden Kosten aufkommen?


 
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