© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
WIRTSCHAFT
Rente bei absehbarem Tod
Bernd-Thomas Ramb

Das Drama um die Reform des staatlichen Rentensystems steht vor einem weiteren Akt. Theatralisch versuchen die gegensätzliche Interessen verfolgenden Verbände in verzweifelten Aufrufen die Politiker zur Besinnung zu bringen – doch auf was? Sämtliche Reformphantasien beschränken sich auf das Drehen an den Schräubchen des staatlichen Umlageverfahren. Zudem meinen alle, daß die Erhöhung der Beiträge über und die Senkung der Rentenhöhe unter ein bestimmtes Niveau nicht durchsetzbar sei. Welche Höhe im einzelnen damit gemeint ist, mag marginal umstritten sein. Von entscheidender Bedeutung ist dies nicht, da allein wirksame drastische Veränderungen ausgeschlossen sind. Ebenso erreicht der staatliche Zuschuß zum defizitären Rentensystem seinen Grenzwert.

Die Faustformel des Umlageverfahrens – Beitragssatz mal Beitragszeit gleich Rentensatz mal Rentenzeit, zuzüglich der staatlichen Zuschüsse – wird damit verhängnisvoll verengt. Folgerichtig hangelt sich die öffentliche Diskussion langsam an die nun ausschlaggebende, weil allein noch verbliebene Stellgröße heran, die Lebensarbeitszeit. Arbeitgeberpräsident Hundt hat einen ersten Vorstoß gewagt, der prompt mit dem üblichen prophylaktischen Wehgeschrei der Betroffenenverbände beantwortet wurde. Schon die Tatsache der ständig steigenden Lebenszeit, deren Korrektur bislang dem staatlichen Einfluß entzogen ist, muß jedoch allen Beteiligten klarmachen, daß eine Ausdehnung der Lebensarbeitszeit unumgänglich ist. Am besten, man nutzt diese Notwendigkeit zu einer Überkorrektur, um die Krux des Umlageverfahrens zu verschleiern, nach der die Rente immer noch zu hoch und der Beitragssatz immer noch zu niedrig ist. Das Ende des Umlagedramas ist damit vorgegeben: Rente bei absehbarem Tod.


 
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