© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
UMWELT
Mord im Reagenzglas
Holger Nutzinger

Menschliches Leben existiert nicht erst mit der Geburt, auch nicht erst mit der Fötusbildung im Mutterleib. Menschliches Lebens beginnt mit der Befruchtung der Eizelle durch ein eindringendes Sperma. Wissenschaftlichen Fertigkeiten ist es zu verdanken, daß dieser Akt nicht länger auf die natürliche Vereinigung von Mann und Frau angewiesen ist, sondern im Reagenzglas vollzogen werden kann. Dabei wird eine höhere Erfolgsrate erreicht als mit der traditionellen Methode. So erfolgreich, daß mehr menschliche Embryonen entstehen, als ausgetragen werden können. Wohin aber mit diesem Menschenüberschuß? Wegwerfen? Unmöglich, aber Praxis! Warum also nicht für die medizinische Forschung verwenden, die schwerstkranken Menschen die Hoffung auf Heilung oder zumindest starke Minderung ihrer Leiden verspricht?

Ein teuflisch verführerisches Argument, dem mehrfach zu widersprechen ist. Erstens ist zu fragen, warum überhaupt so viele Reagenzbefruchtungen stattfinden. Ein Ehepaar mit Zeugungsschwierigkeiten benötigt maximal so viele Embryos, wie der Wunsch nach Kindern besteht. Bei einer überzähligen Laborbefruchtung könnten aber – wieder teuflisch verführerisch – die "besten" herausgesucht werden. Damit wird nicht nur "unwertes" Leben verhindert, sondern in letzter Konsequenz der Züchtung des "Herrenmenschen" Tür und Tor geöffnet. Wie aber steht es mit den medizinischen Heilungsversprechen? Hier gilt, daß die Verwendung von embryonalen Stammzellen keinesfalls unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung krankenspezifischer Ersatzteile ist. Das kann – möglicherweise etwas zeitaufwendiger – auch mit körpereigenen Stammzellen der Patienten geschehen.


 
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