© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/00 08. September 2000

 
Meldungen

Einbrüche ins arktische Niemandsland

STUTTGART. Alarmiert durch Bild blickt alle Welt gerade auf den Nordpol und schließt sich Harald Schmidts Jux-Initiative "Kampf der Pol-Schmelze" an. Nicht so der an der TU Berlin lehrende Biologe Lothar Staeck, der sich in einem Beitrag für die Naturwissenschaftliche Rundschau (Heft 8/2000) lieber auf dem Boden gesicherter Fakten bewegt und eher akute Gefahren für das fragile Ökosystem der Antarktis ausmacht. Dazu zählt er die Touristen, von denen sich 1980 gerade einmal 800, 1998 aber schon 10.000 ins ewige Eis verirrten. Staecks informative Einführung in Lebensstrukturen des kältesten Kontinents macht auch darauf aufmerksam, daß ungeachtet internationaler Konventionen die unkontrollierte Abfischung und damit die "ungezügelte Ausbeutung des Polarmeeres" weitergeht.

 

Die erste Generation lupenreiner Atheisten

WEINHEIM. Seit fast 50 Jahren gibt die Deutsche Shell Jugendstudien in Auftrag, die inzwischen den Standard in der Jugendforschung setzen.Die 1,7 Millionen Mark teure 13. Studie vermittelt erstmals auch Einblicke ins Lebensgefühl ausländischer Jugendlicher. Überhaupt, so Reinhard Kahl in seinem Abriß des 900- Seiten-Wälzers (Pädagogik, Heft 7-8/00), sei dies der "aufschlußreichste Jugendreport der letzten Jahrzehnte". Und zwar deswegen, weil er einen "fundamentalen Umbau von Weltbildern" anzeige und Konturen "der vielleicht ersten durch und durch atheistischen Generation" erkennen lasse. Auch Politik werde von ihr nur noch als eines von vielen "Subsystemen" behandelt – ein "Abschied von der Ideologie", der im internationalen Trend liege.

 

Eine zweite Chance für Deutschland

HEIDELBERG.Was kommt nach dem Genom? Der publizistische Schlachtenlärm, der vor wenigen Wochen die fast vollständige Entschlüsselung der DNA-Sequenz umtobte, ist kaum verklungen, da widmet sich die Wissenschaftspresse den nächsten Auf- gaben für Forscher und Pharmahersteller. Die wollen nunmehr die Eigenschaften der von den Ge- nen codierten Proteine kennenlernen, wollen wissen, welche Zellen was für Proteine bilden, wie sich eine gesunde Zelle in ihrer Proteinausstattung von einer kranken unterscheidet. Da die Eiweißmoleküle als Ansatzmöglichkeiten für neue Wirkstoffe gelten, fließt immer mehr Geld in die so genannte "Proteomik". Wie der Molekularbiologe Matthias Mann ausführt (Spektrum der Wissenschaft, H. 9/2000), besteht auf dem Weg von der Genomik zur Proteomik für den Wissenschaftsstandort Deutschland, wo bereits Mitte der neunziger Jahre "die entscheidenden Technologie für die Proteom-Analyse" entwickelt worden seien, "eine zweite Chance" – wenn die "politischen Organisationen" diesmal, anders als beim Genom-Projekt, vorhandenes Potential nachhaltig fördern.

 

Neue Kontroverse über den Krieg im Osten

BERLIN. Zum alltäglichen Geschäft des Historikers gehört es, Forschungsresultate zu prüfen und zu revidieren. Einer, der in diesem Geschäft schon sehr erfolgreich war, ist der polnische Zeithistoriker Bogdan Musial, der mithalf, Reemtsmas Anti-Wehrmachtschau zu destruieren. Auch sein jüngstes Werk über die "Brutalisierung des deutsch-sowjetischen Krieges im Sommer 1941" ("Konterrevolutionäre Elemente sind zu erschießen", Berlin 2000) sorgt für Unruhe unter den Hütern des Status quo. Zum Auftakt der zu erwartenden Kampagne gegen Musial fühlt sich der nicht eben als Historiker bekannt gewordene Filmproduzent Arthur Brauner bemüßigt (Die Welt vom 1. 9.) Musial dafür anzugreifen, daß er "NKWD und Juden" für die Eskalation der Gewalt im Osten verantwortlich mache.


 
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