© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000

 
Ende einer langen Kampagne
Sachsen: CDU-Justizminister Steffen Heitmann hat das Handtuch geworfen / PDS kritisiert "System Biedenkopf"
Paul Leonhard

Am Mittwoch diese Woche wollte sich Sachsens Justizminister Steffen Heitmann (CDU) eigentlich mit sächsischen Verwaltungsrichtern treffen. Diese hatten sich in einem Brief an die Staatskanzlei über den Minister beschwert und Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) um Hilfe gebeten. Doch das klärende Gespräch ist nun ausgefallen. Heitmann hat am Montag überraschend das Handtuch geworfen und seinen Rücktritt vom Amt erklärt.

Er habe nach der friedlichen Revolution über zehn Jahre seiner "ungeteilten Lebenskraft nach bestem Wissen und Gewissen in den Aufbau und die Befestigung rechtsstaatlicher Verhältnisse im Freistaat investiert", heißt es in Heitmanns Erklärung. "Die unerträgliche Art und Weise, in der nun von einigen meine Amtsführung angegriffen wird, hat die Beschädigung meines Ansehens zum Ziel. Ich habe ähnliches bereits 1993 erleben müssen und bin nicht bereit, eine Wiederholung zuzulassen."

Damit erinnert der 56jährige gebürtige Dresdner an eine Schmutzkampagne, die anläßlich seiner Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten von überwiegend westdeutschen Zeitungen losgetreten wurde und die auch von Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker kräftig angeheizt worden sein soll. Heitmann waren damals konservative Äußerungen vorgeworfen worden. Unter anderem hatte er damals vor einer Überfremdung Deutschlands gewarnt und gefordert, daß sich die Frauen wieder mehr auf traditionelle Werte wie Heim und Herd besinnen sollen.

Diesmal waren die Vorwürfe diffiziler. Sachsen Datenschutzbeauftragter Thomas Giesen hatte Heitmann mehrfach die Mißachtung der Unabhängigkeit der Justiz vorgeworfen. Unzufrieden mit der Amtsführung des Ministers waren offenbar auch die sächsischen Verwaltungsrichter. Der Verband der sächsischen Verwaltungsrichter forderte von Biedenkopf, daß künftig nur die Gerichtspräsidenten und nicht der Minister ein Aufsichtsrecht über die Richter hat. Auch andere Richterverbände hatten den Einfluß der Regierung auf die Justiz kritisiert.

Als besonders heikel für Heitmann erwiesen sich seine Aktennotizen im Fall des wegen Untreue angeklagten Görlitzer Finanzdezernenten. Nach Aktenstudium hatte der Datenschutzbeauftragte dem Minister vorgeworfen, Informationen aus einem Ermittlungsverfahren an Parteifreunde weitergegeben haben. Konkret hatte ihn 1997 der Görlitzer CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Volker Bandmann um Informationen über die "laufenden Vorermittlungen gegen den Beigeordneten für Finanzen der Stadt Görlitz, Rainer Neumer, wegen angeblicher Veruntreuung im Rahmen seiner vorübergehenden Tätigkeit als Geschäftsführer der Stadtreinigung Görlitz", gebeten.

Übereinstimmend forderten nach Bekanntwerden dieses Vorfalls SPD, PDS, Bündnisgrüne und FDP den Rücktritt Heitmanns. Auch wenn dieser sich in der eigenen CDU-Landtagsfraktion durch sein mitunter anmaßend wirkendes Auftreten nur wenig Freunde gemacht hat und einstige Weggefährten des Herbstes 1989 wie Ex-Umweltminister Arnold Vaatz oder Ex-Innenminister Heinz Eggert längst weitgehend von der politischen Bühne abgetreten sind, schien es noch zu Wochenbeginn nicht so, als ob Heitmann seinen Hut nehmen müsse. Ausdrücklich hatte sich Ministerpräsident Biedenkopf hinter seinen Minister gestellt.

Daß Heitmann sich selbst zur Amtsaufgabe entschlossen hat, dürfte wirklich an der derzeitigen Schlammschlacht liegen, die sich der Dresdner nicht mehr zumuten möchte. Ein Schritt, der vor allem Biedenkopf ungelegen kommt. Denn der Sachsen-Premier muß nun erneut Veränderungen in seinem Kabinett vornehmen, ohne ausreichend gewichtige Kandidaten in der Hinterhand zu haben. Innenminister Klaus Hardraht (CDU), der nun kommissarisch die Amtsgeschäfte des Justizministers mit übernommen hat, kommt zwar ursprünglich aus Heitmanns Stall, galt aber vor einigen Monaten selbst noch als Wackelkandidat im eigenen Amt.

Vor der Landespressekonferenz würdigte Biedenkopf den gelernten Kirchenjuristen Heitmann als "fähigen Juristen mit Ostbiographie", der nach der Wende ein "Glücksfall für Sachsen" gewesen sei. Heitmann habe sich trotz gegenteiliger Bitten des Kabinetts zu diesem Schritt entschlossen: "Wir sind alle sehr betroffen und traurig." Biedenkopf sprach von einer Kampagne einer Gruppe von Juristen und bezeichnete die Angriffe auf das Kabinettsmitglied als "schlicht unehrlich".

Die PDS-Landtagsfraktion sprach dagegen von einem Läuferopfer, "das den König nicht aus seiner Schachstellung befreit". Es ginge nicht um Verfehlungen eines einzelnen Ministers, sondern um das seit längerem in die Schußlinie geratene "System Biedenkopf", in dem die Verletzung der Gewaltenteilung ein Grundzug sei. Deswegen halte man an der Option fest, einen Untersuchungsausschuß zur Klärung der angeblichen Verfehlungen von Heitmann zu beantragen, erklärte PDS-Fraktionschef Peter Porsch. Die CDU-Fraktion bedauerte den Rücktritt.


 
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