© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000

 
Kirchenkampf gegen die Vergötzung des Geldes
Handel: Das Ladenschlußgesetz – die unendliche Geschichte
Ronald Schröder

Die Gewerkschaften in Deutschland befürchten bei Abschaffung des Ladenschlußgesetzes eine höhere Arbeitsbelastung für die Beschäftigten des Einzelhandels. Die Kirchen möchten den Sonntag als "Tag des Protestes gegen die Fron der Arbeit und die Vergötzung des Geldes" bewahren.

Kein Wunder also, daß die Forderungen nach Aufhebung des Ladenschlußgesetzes aus den atheistisch geprägten neuen Bundesländern erhoben wurden. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) äußerte sich schon frühzeitig entsprechend. Doch nicht nur fehlendes religiöses Bewußtsein macht den neuen Ländern das Eintreten für die Abschaffung des Ladenschlußgesetzes leicht, auch ökonomische Gründe sprechen dort dringlicher für eine Liberalisierung. Unklare Eigentumsverhältnisse in den Innenstädten verhinderten nach der deutschen Einheit zügige Investitionen. Riesige Einkaufszentren entstanden auf der "Grünen Wiese". Die Innenstädte verödeten. Die neuen Bundesländer bewiesen, daß am Wochenende geöffnete Geschäfte diesem Trend entgegenwirken. Möglich machte das ein Mißbrauch der Ausnahmeregelungen des Ladenschlußgesetzes. So beschloß die sächsische Staatsregierung im Frühjahr vorigen Jahres, daß die Geschäfte "in Tourismuszentren" samstags bis 20 Uhr und sonntags bis 18.30 Uhr öffnen dürfen, wobei sich so gut wie jede größere sächsische Kommune zum Tourismuszentrum erklären konnte. Die Gewerkschaften bereiteten dieser Praxis auf dem Klageweg ein Ende. Seitdem tritt Sachsen als Vorreiter für eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Ladenschlußgesetzes ein. Auch den Interessen der alten Länder würde eine Lockerung des Ladenschlusses entsprechen. Die einen erhoffen sich mehr Touristen, die anderen eine Stärkung des kleinen Einzelhandels gegen die verkaufsoffenen Ladenzonen in Bahnhöfen und Tankstellen. Ende August beschlossen die Wirtschaftsstaatssekretäre der Bundesländer mehrheitlich eine Ausweitung der Öffnungszeiten durch eine Reform des Ladenschlußgesetzes. Der DGB lief Sturm dagegen und drohte mit einem "heißen Herbst". Bundeskanzler Schröder hatte schon in der Vergangenheit erklärt, von der Bundesregierung werde keine Initiative zur Aufhebung oder Lockerung des Gesetzes ausgehen. Dementsprechend bereitwillig sagte er dem DGB für dessen Zustimmung zur Absenkung des Rentenniveaus im Rahmen der Rentenreform Unterstützung bei der Erhaltung des Ladenschlußgesetzes zu. Auf diese Kanzler-Unterstützung geht der Umfaller der nordrhein-westfälischen Landesregierung unter Wolfgang Clement (SPD) zurück. Nordrhein-Westfalen brach aus der Gruppe der Ladenschlußliberalisierer aus und möchte nun die Liberalisierungsbeschlüsse kippen. Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer kommentierte das im Handelsblatt vom 7. September mit Entschlossenheit: "Ich werde dafür kämpfen, daß sie umgesetzt werden." Trotzdem wird durch den Meinungswandel von Ministerpräsident Clement ein Bundesratsbeschluß wie geplant am 14. September höchst unwahrscheinlich. Wie bei der Absicherung des Briefmonopols für die Post, der Eindämmung des Stromwettbewerbs zugunsten der Stadtwerke oder dem Gegensteuern gegen eine Liberalisierung der Wasserwirtschaft ist der Bundeskanzler seiner "reformfeindlichen" Linie (Handelsblatt) auch beim Ladenschluß treu geblieben. Natürlich wird das Ladenschlußgesetz eines Tages fallen, schließlich sind schon jetzt die Hälfte der Einzelhändler mit einer Internet-Seite im weltweiten Datennetz vertreten, um die gesetzlichen Ladenschlußzeiten zu umgehen. Aber ein, zwei Jahre wird uns die Diskussion noch erhalten bleiben.


 
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