© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000

 
Pankraz,
Markus Lüpertz und der Charme des Dandy

Einige Gazetten versuchen, die Figur des "Dandys" wiederzubeleben. Mit wichtigtuerischen Zitaten von Baudelaire und Camus wird der Eindruck erzeugt, es handle sich beim Dandy keineswegs um jenen Gecken und Stutzer, als der er gemeinhin abgetan wird, sondern um eine hochbedeutsame, sozialrelevante und fast tragische Figur, die "gebraucht" werde, von der man "lernen" könne. Mal werden gewisse junge Berliner Schriftsteller als Inbegriff des modernen Dandy hingestellt, mal Düsseldorfer Kunstprofessoren mit Lehrauftrag und Direktorenpension. Aber die ganze Sache hat weder Sinn noch Verstand.

Der Ur-Dandy, jener Hauptmann und "Beau" aus dem georgianischen England des achtzehnten Jahrhunderts, war ein typisches Kind seiner Epoche und ist mit ihr untergegangen. Damals war die Zeit der (wie es ein französischer Modemacher ausgedrückt hat) "Entherrschaftlichung" der Mode. Sämtliche Kleiderstoffe, Hut- und Stiefelformen, Hals- und Armketten wurden "freigegeben", waren nicht mehr bestimmten Machthabern oder Ständen vorbehalten, sondern standen zur allgemeinen Verfügung. Wer es sich geldlich leisten konnte, konnte von da ab – von einigen militärischen Abzeichen abgesehen – alles tragen, was er nur mochte. Am Anfang gab es darüber mancherlei Irritationen, und Mr. Dandy schlug daraus Kapital.

Er schmückte sich (nach der Überlieferung durchaus in der Absicht, die höheren Stände zu verspotten) mit Kleidungsstücken und Accessoires der verschiedensten Ränge, und da er offenbar ein hübscher Herr aus reichem Haus mit sicherem Auftreten und Talent zur gesellschaftlichen Zirkelbildung gewesen ist, machte er damit Eindruck, reizte zur Nachahmung, sammelte Prestige. Es gibt einen Hollywoodfilm über Hauptmann Dandy, wo Stewart Granger in der Titelrolle die makellos schöne Elisabeth Taylor als Preis seines Dandytums erringt, trotz Intrigen des fiesen, von Peter Ustinov gespielten Thronfolgers Georg.

H eute ist die Klamotten-frage längst keine Frage des sozialen Prestiges mehr, es sei denn, es geht um den Besitz von besonders teuren Markenlabels, Kaschmirmänteln, Autos, Armbanduhren, die aber jedermann erwerben darf. Das aufdringliche Vorzeigen solcher Labels macht einen nicht zum Dandy à la Stewart Granger , sondern zum neureichen Parvenü. Mag sein, die Parvenüs kommen in die Klatschspalten, doch Eindruck machen sie damit nur auf die allertrübsten Massen. Von Exzellenz oder gar von Tragik keine Spur.

Mit Kleidung und Accessoires läßt sich auch nicht mehr politisch demonstrieren; allenfalls die Glatze, der Skinhead, weckt noch Leidenschaften. "Armenlook", absichtlich zerfetztes oder verspecktes Outfit, weckt dagegen sogar in Bangladesch oder Madagaskar nur Spott im Stile von Diogenes: "Seht nur, wie die Eitelkeit aus allen Löchern seines Anzugs hervorlugt!"

Wenn die jüngsten Apologeten des Dandyismus nun sagen, es gehe dem "modernen Dandy" gar nicht ums Outfit, sondern ums "Ich", es komme ihm darauf an, sein "Ich" gewissermaßen von sämtlichen Verstrickungen der Welt freizuhalten und so seine Autonomie und zugleich die Autonomie an sich zu demonstrieren, so antwortet ihnen Pankraz: Ein Ich jenseits von allen Weltverstrickungen gibt es nicht, wer glaubt, ein solches zu haben, beweist damit nur, daß er eine völlig leere Flasche ist.

Wobei die Art des Demonstrierens noch gar nicht angesprochen ist. Wie soll denn dieser moderne Dandy, der seine Autonomie demonstriert, aussehen? Er soll, deuten einige Apologeten an, durch sein Auftreten signalisieren: "Auf mich könnt ihr nicht bauen, denn mir ist im Grunde alles wurscht." Eine Haltung also, die Nietzsche dem "letzten Menschen" zugesprochen hat, der allerverächtlichsten Figur, die sich denken lasse, dem Endprodukt von Nihilismus und Säkularisierung, das nur noch auf den Abtransport warte.

D iese Art "letzter Mensch" ist das genaue Gegenteil dessen, was man sich bisher anständigerweise unter dem klassischen Dandy vorgestellt hat. In dem war doch wohl eine Hingegebenheit an den schönen Schein lebendig, ein heiteres Umspielen aller tiefen, dumpf ichhaften Rankünen, eine Begeisterung für reizende Oberfläche, überraschende Farben und Formen. Stewart Granger in dem Hollywoodfilm gab dafür einen erstklassigen Darsteller ab.

Ob Markus Lüpertz, Düsseldorfer Akademieprofessor und von der Süddeutschen Zeitung überraschend zum Repräsentanten des "neuen" Dandy ausgerufen, dem jungen Granger in Sachen Dandytum das Wasser reichen kann? Das Auftreten dieses Künstlers paßt an sich ja eher in die Zeit von Kaiser Wilhelm II. statt ins georgianische England. Er hält sich nicht für den Oberflächlichsten, sondern schlichtweg für den Größten, zeigt seine Accessoires tatsächlich parvenühaft mit der Attitüde eines zu Geld gekommenen Mannes aus kleinen Verhältnissen vor und scheint weit davon entfernt, die von ihm geschaffenen Werke als verwehende Spuren im Sand zu sehen. Er ist vielleicht kein "letzter Mensch", doch ein Dandy ist er gewiß nicht.

Es gibt eben keine Dandys mehr. In einer Zeit, die von Trendsettern und von Lifestyle-Magazinen überquillt, in der noch der letzte Furz (so er denn ins Schema der "political correctness" paßt) zu einem Sturmwind der Innovation und der Kreativität hochgejubelt wird – in einer solchen Zeit hat der Dandy einfach keine Daseinsberechtigung mehr, nicht einmal als Maske.

Die Gestalt des Markus Lüpertz liefert dafür Indiz, hat er doch einst als "nationaler Künstler" angefangen, der an zugeschüttete Traditionen wieder-anknüpfen wollte. Da wurde er schnell zum Objekt der PC-Wächter und flüchtete – nicht in die Figur des Dandy, sondern in die eines wilhelminischen Kunstdirektors.


 
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