© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000

 
Reformschreiber sind blamiert

Die umstrittene Rechtschreibreform hat auch bei Journalisten zu einem erheblichen Anstieg der Rechtschreibfehler geführt. Dies hat eine vergleichende Untersuchung des freiberuflichen Münchner Lektors und Korrektors Wolfgang Wrase bei zwei Wochenendausgaben der Süddeutschen Zeitung ergeben. Die Ergebnisse wurden am vergangenen Donnerstag von der Internet-Redaktion der Initiative "Wir gegen die Rechtschreibreform" veröffentlicht.

Wrase hat den redaktionellen Teil der SZ-Ausgabe vom 24./25. Juni 2000 mit dem der Ausgabe vom 17./18. Januar 1998 verglichen. Dabei stellte er insgesamt eine Verdoppelung der Rechtschreibfehler von 277 auf 582 fest. Aussagekräftiger ist jedoch die Fehlerentwicklung in den geänderten Bereichen. Erst dort zeige sich die "Netto-Veränderung". In den von der Rechtschreibreform betroffenen Bereichen ermittelte Wrase eine Verfünffachung (von 51 auf 262) der Fehler. Seine Schlußfolgerung: "Die Rechtschreibreform ist vollkommen sinnlos, denn nicht einmal den Redakteuren einer Qualitätszeitung gelingt es, sich den explosionsartig zunehmenden Fehlerzahlen zu entziehen." Das Scheitern dieser führenden Zeitung an der Rechtschreibreform spreche nicht gegen die Redakteure der Süddeutschen Zeitung, sondern gegen die Rechtschreibreform. Die bewährte Rechtschreibung sei allein schon aus der Perspektive der Fehlervermeidung uneinholbar der Neuregelung überlegen, abgesehen von ihren sonstigen beträchtlichen Vorzügen.

Dieser Befund zehn Monate nach Einführung der Reform bedeute eine Bankrotterklärung, so Wrase gegenüber dem Evangelischen Pressedienst epd. Das Ergebnis sei "als Zukunftsmuster für die Allgemeinheit übertragbar". Wrase hatte bereits sieben Wochen nach Einführung der Rechtschreibreform zwei Ausgaben des Nachrichtenmagazins Der Spiegel auf Rechtschreibfehler verglichen und eine Verdreifachung der Fehler nach der Rechtschreibreform gefunden.

Bei der jetzigen Untersuchung habe er von der Gesamtzahl der Fehler die Trennungs-, Stil-, Grammatik-, Tippfehler und die falsche Schreibung von Eigennamen abgezogen, betont Wrase, und dennoch "ein solch desaströses Ergebnis" erhalten. Daß die Zahl der Rechtschreibfehler auch bei Schreibweisen, die nicht von der Rechtschreibreform berührt wurden, um 30 Prozent gestiegen ist, führt Wrase ebenfalls auf diese Reform zurück. Die Verunsicherung beim Schreiben habe sich insgesamt erhöht.

Die Untersuchungsergebnisse können im Internet unter www.rechtschreibreform.com    nachgelesen werden. (JF)


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen