© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
Der Euro wird verschrödert
Berlin: Gerhard Schröder nimmt Einfluß auf den Kurs des Euro
Philip Plickert

Jüngst ließ sich Bundeskanzler Schröder zu der Aussage hinreißen, die Abwertung des Euro um mittlerweile über 25 Prozent gegenüber dem Dollar sei wegen des Exports so unerfreulich gar nicht. Schröders Äußerung war provokant und ziemlich dumm. Die Finanzmärkte registrierten das, und der Euro erreichte neue Tiefstmarken.

In der Tat ist der deutsche Export kräftig gestiegen, und nicht wenige Wirtschaftsfachleute führen dies auch auf den schwachen Euro zurück. Dennoch darf man den Effekt der Wechselkurse auf die deutsche Leistungsbilanz nicht überschätzen. Kurzfristig kann eine Abwertung theoretisch sogar eine Verschlechterung bewirken. Dies hat mehrere Gründe: Erstens sind viele Im- und Exporteure an längerfristige Verträge gebunden. Zweitens verteuern sich aus dem Ausland zugekaufte Vorprodukte, so daß die Kosten der Produktion insgesamt steigen. Dazu kommt drittens, daß in den seltensten Fällen die Exporteure den schwachen Euro-Kurs durch vollständige Preisabschläge an die ausländischen Käufer weitergeben.

Nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschungen (RWI) beschert also eine 20prozentige nominale Abwertung des Euro der deutschen Wirtschaft nur eine marginale Verbesserung der Wettbewerbsposition auf dem amerikanischen Markt. Das Essener Institut spricht von Absatzsteigerungen um lediglich 0,8 Prozent. Am meisten können noch die Automobilbauer profitieren (plus 1,0 Prozent), kaum meßbar sind die wechselkursbedingten Exportsteigerungen bei der Elektroindustrie. Da der Export nur etwa ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht, wächst die deutsche Wirtschaft effektiv nur um 0,3 Prozentpunkte zusätzlich "dank" des schwachen Euro. Auf der anderen Seite wirkt sich ein schwacher Euro negativ auf die Kaufkraft der deutschen Löhne aus, weil durch verteuerte Importe die Inflation beschleunigt wird.

Da beispielsweise Öl, dessen Weltmarktpreis sich in letzter Zeit beinahe verdreifacht hat, traditionell auch noch auf Dollarbasis gehandelt wird, bluten die deutschen Verbraucher hier gleich doppelt. Günter Grass’ wenig charmanter Ratschlag an Oskar "der Weltökonom" Lafontaine ("Halt’s Maul und trink deinen Rotwein") sollte in Fragen der höheren Wirtschaftstheorie auch für Gerhard Schröder verbindlich sein.


 
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