© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
Eine Volksbewegung gegen den Euro
Dänemark I: Die Volksabstimmung zur Währungsunion schmiedet bizarre Koalitionen zwischen Rechts und Links
Jochen Arp

Wenige Tage vor der Volksabstimmung in Dänemark über den Beitritt zur Europäischen Währungsunion stehen die Befürworter des Euro mit dem Rücken zur Wand. Nach jüngsten Befragungen sind die Lager der Ja- und Nein-Sager etwa gleich groß.

15 bis 20 Prozent der vier Millionen stimmberechtigten Dänen sind noch unentschlossen, wo sie am 28. September ihr Kreuz machen. Doch geht die Tendenz nach Ansicht der Meinungsforscher eher zum "Nein" als zum "Ja". War man bisher noch der Meinung, vor allem die jüngeren Wählerjahrgänge seien es, die den Euro für Dänemark wünschen, hat eine neue Umfrage Ernüchterung gebracht.

Während es längst klar ist, daß die älteren Jahrgänge überwiegend nichts von der Europäischen Einheitswährung halten, sieht es nun so aus, daß die jungen Leute im Alter von 18 bis 20 Jahren, und das sind immerhin 150.000, zu 47 Prozent gegen den Euro sind und nur 43 dafür.

Anders als die Deutschen sind die Dänen nationalbewußt. Sie lieben ihr Land, sie lieben die dänische Eigenart, ihre Kultur, den Standard ihres Sozialstaates und ihre Königin. Das alles, vor allem aber ihre dänische Form der freiheitlichen Demokratie, sehen sie gefährdet, wenn Dänemark, das sich bereits für den Beitritt zur EU entschieden hatte, noch nicht aber zur Übernahme der Euro-Währung, nunmehr die Krone aufgibt zugunsten des unsicheren Euro.

Zur Beruhigung jener, die das Ende des dänischen Königshauses schon vor Augen haben, hat die von der Sozialdemokratischen Partei geführte dänische Minderheitsregierung in Zusammenarbeit mit der EU die vorgesehene neue Euro-Währung vorgestellt, deren Münzen auf einer Seite das Bild der dänischen Königin tragen sollen. Aber die immer skeptischer werdenden Dänen trauen solchen tröstlichen Zusicherungen nicht. Die Angst vor dem übermächtigen Europäischen Einheitsstaat, zu dem, so fürchten sie, sich die EU-Bürokratie entwickeln dürfte, schoß nach oben, als die EU-Gewaltigen, dabei gegen die eigenen EU-Richtlinien verstoßend, in die inneren Verhältnisse des kleinen Österreichs mit Sanktionen einzugreifen versuchten. Die Dänen sahen sich vor einem ähnlichen Schicksal, falls sie eventuell einmal wieder den Stachel der EU-Fürsten löcken sollten und dann ebenfalls mit dem Bann belegt würden. So drängte denn der dänische Regierungschef Poul Nyrup Rasmussen, Sozialdemokrat, der zunächst durchaus den Österreich-Boykott befürwortet hatte, zunehmend auf die Aufhebung. Als dann endlich bekannt wurde, daß die "drei Weisen" für die Aufhebung plädierten, bat er geradezu inständig die EU-Gewaltigen, schleunigst die Sanktionen zu beenden, da jeder weitere Tag des EU-Drucks die Chancen der Euro-Freunde in Dänemark mindere. Längst hatte man begriffen: die EU-Sanktionen gegen das kleine Österreich machten die Zustimmung des ebenfalls kleinen Dänemark zunehmend unwahrscheinlich. Ob die Zurücknahme der Isolierung am 12. September noch rechtzeitig kam, um vor allem die bürgerlichen Wähler, die angesichts der EU-Politik der Repressionen massenweise ihre Meinung vom "Ja" zum "Nein" korrigiert hatten, wieder zurückzugewinnen, ist fraglich. Während die Argumente der Euro-Gegner tief ins dänische Gefühl zielen – "Nein, weil wir unsere dänische Identität erhalten wollen"–, wissen die Euro-Befürworter lediglich wirtschaftliche Argumente ins Feld zu führen. Sie drohen, ein "Nein" würde den festen Kurs der dänischen Krone erschüttern. Die dänischen Auslandsinvestitionen würden zurückgehen. Dänemark wäre wirtschaftlich isoliert, sagen sie. Aber selbst führende Wirtschaftsfachleute, so der Danfos-Direktor Steen Andersen, der nicht gegen den Euro ist, meint zurückhaltend, eine Pro-Euro-Entscheidung hätte zwar Vorteile, "die aber nicht sehr groß sind".

Die Gegner warnen: Wenn man sich einmal auf den Euro eingelassen hat, sei diese Entscheidung nie wieder rückgängig zu machen. Die Regierung schwindelt, wenn sie meint, das alles werde nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird; wie sollte die EU sich wehren, wenn die Dänen eines Tages den Euro satt hätten und ihn wieder abschafften?

Während noch bei früheren dänischen EU-Abstimmungen die Angst vor Deutschland eine wichtige Rolle spielte, ist in den jetzigen Auseinandersetzungen vor der Euro-Abstimmung diese Frage wenig relevant. Zwar leiden viele Dänen immer noch unter dem "Kleiner-Bruder-Komplex" gegenüber dem größeren Nachbarn, doch hat inzwischen wohl auch der letzte Däne begriffen, daß mit einem Einmarsch der Bundeswehr in Jütland nicht zu rechnen ist. Wohl aber wirkt sich die zunehmende Schwäche des Euro auf die Entscheidung aus. Als er Anfang September ins Bodenlose abzustürzen schien, da jubelten seine Gegner: "Die Finanzmärkte haben Nein zum Euro gestimmt, und das tun wir am 28. September auch!" formulierte der unabhängige Folketing-Parlamentarier Frank Dahlgaard, der bis 1999 bei der Konservativen Volkspartei (KF) war. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen hingegen versank in tiefes Schweigen. "Wenn der Wechselkurs der Ausdruck von Vertrauen in eine Währung ist, dann versinkt der Euro langsam im eigenen Sumpf", so Peter Skaarup von der Dänischen Volkspartei (DF). Die DF wirbt mit dem Slogan "For Kronen og Fædrelandet" (Für Krone und Vaterland) gegen den Beitritt. Doch die Euro-Gegner stehen nicht alle "rechts": Eva Hallum, Mitglied im Geschäftsausschuß der "Volksbewegung gegen die EU", sieht durch den Euro die Sozialpolitik in Dänemark gefährdet und wirbt für ein "Nein". Die linken Euro-Gegener fordern sogar noch mehr: Die "Folkebevægelsen mog EU" will sogar den Austritt des Königreiches aus der EU. Trotz ihrer Bedenken, mit "Rassisten" zusammenzuarbeiten, sehen sie die EU-14 Sanktionen gegen Österreich als weiteren Grund für den EU-Austritt.

So ist die Entscheidung noch offen. Welche Auswirkungen am 28. September ein "Nein" Dänemarks zur Währungsunion auf die EU und damit auch auf Deutschland hat, das ist noch nicht abzusehen. Gegner propagieren sogar, wenn Dänemark ein Vorreiter für den Ausstieg aus den Euro wird, dann könnte Deutschland, dessen Bevölkerung mit großer Mehrheit ebenfalls gegen die Einheitswährung ist, eines Tages dem dänischen Beispiel folgen und wieder zur altbewährten D-Mark zurückkehren.

Dazu allerdings müßte in der Bundesrepublik Deutschland eine ganz anders geartete Regierung am Ruder sein als die jetzige, die dem Euro durch dick und dünn und, wenn es notwendig wird, bis zum Untergang folgen dürfte.


 
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