© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/00 29. September 2000

 
Türkisch original
Kino: "Güle Güle" von Zeki Ökten
Ellen Kositza

Es dürfte das erste Mal sein, daß in der Bundesrepublik ein Kinofilm anläuft, der seine Zielgruppe derart eindeutig in einer ausländischen Nationalität findet. "Güle Güle" basiert auf einem türkischen Drehbuch, wurde von einem türkischen Regisseur mit türkischen Darstellern gedreht und wird auch hierzulande in türkischer Sprache (deutsch untertitelt) gezeigt. Mit welchem Grund auch sollte sich die Ausbreitung osmanischer Kultur hierzulande auf Billigläden, Kebabstände und Moscheen beschränken? Türkisches Kino in der BRD: allemal weniger anrüchig und unbegründet als die alltägliche und längst nicht mehr als solche wahrgenommene US-Minderware.

In einem Dorf auf einer türkischen Insel leben fünf Freunde, Ruheständler allesamt: Galip, der verliebte Schwärmer, das Ehepaar Celal und Zarife, die beinahe ein halbes Jahrhundert zusammen sind, Ismet, der kindliche Spinner mit einer Leidenschaft für amerikanische Filmhelden und der ordentliche und aufrichtige Schemsi, der vor Jahren von seiner eitlen und karrieregeilen Frau betrogen und verlassen wurde. Der Film beginnt mit Stimmungen, mit warmen Bildern dörflicher Idylle, mit Gesprächen über die Weinlese, freundschaftlichen Männerrunden in Kaffeestuben, nur langsam tröpfelt die Handlung zu einem Fluß: Der Träumer Galip möchte den lange gehegten Wunsch, seine Geliebte Rosa in Kuba zu besuchen, wahr werden lassen. Es ist eine besondere, durch wöchentliche Briefe besiegelte Liebe zwischen den beiden; sie haben sich nur einmal in ihrem Leben gesehen, sind nun seit 20 Jahren räumlich getrennt, aber einander stets treu geblieben. Bevor Galips Pläne konkret werden können, diagnostizieren ihm Ärzte nach einem Zusammenbruch Magenkrebs im Endstadium. Für die Freunde, die noch vor Galip die schlimme Nachricht erfahren, ist klar, daß sie nun alles daransetzen müssen, dem Kranken die Reise nach Kuba zu ermöglichen. Unvertraut im Umgang mit fremden Währungen verrechnen sie sich im Dollarpreis, den die Reise kostet – eine immense Summe muß scheinbar aufgebracht werden. Die vier Alten jedoch werden nichts unversucht lassen, Galips letzten Traum zu erfüllen. Es ist ein langsamer Film, dessen Tempo – und das ist selten – nicht auf einer Attitüde fußt, sondern ländlicher Realität abgewonnen ist. Weit entfernt sind die Protagonisten von westlichem Jugendwahn, vom Cholesterinkult und der vereinsamten Bitterkeit, die häufig genug das Seniorendasein als erbärmliche Horrorvision, als mürbes Lebensende erscheinen läßt.

In der Türkei ist dieser Film mit dem dort einstmals überaus populären Schauspielerpaar Metin Akpinar und Zeki Alasya ein unglaublicher Erfolg und ein Dauerbrenner, er läuft seit Februar und rangiert dort im Hinblick auf die Zuschauerzahlen an dritter Stelle hinter den Hollywoodproduktionen "Propaganda" und "Titanic". Hierzulande werden 36 Kopien von "Güle Güle" (was "Auf Wiedersehen" bedeutet) auf Großstadtkinos verteilt und dort sicherlich ihr Publikum finden.

Regisseur Zeki Ökten hat sich bereits vor Jahrzehnten auch über seine Heimat hinaus einen Namen gemacht: Mit seinem Film "Sürü" ("Die Herde"), der sowohl die zunehmend rechtlose Stellung der anatolischen Frau als auch die tödliche Anonymität der Großstädte auf den Zerfall traditionaler, feudaler Ordnungen zurückführt, gewann er europaweit zahlreiche Filmpreise und erhielt auch für spätere Produktionen internationale Anerkennung. Bedeutsam ist dies, weil sich solche Filme mitnichten an Hollywoods Maßgabe anbiedern, sondern auf ihr Ursprungsland verweisen.


 
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