© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
Vojislav Kostunica
Großserbe ohne Reue
von Carl Gustaf Ströhm

Vojislav Kostunica, bislang
eine Belgrader Lokalgröße, ist auf bestem Wege, ein Lieblingskind westlicher Politiker und Medien zu werden. Dies ist um so seltsamer, als der 56jährige Serbe keineswegs ein Freund des Westens und der Amerikaner ist. Trotzdem loben alle Regierungen von Washington bis Paris, Berlin und Wien den Belgrader Juristen über den grünen Klee.

Gewisse Einzelheiten aus seiner Vergangenheit werden mit der Bemerkung abgetan, er sei zwar ein "Nationalist", aber immerhin eine "gemäßigte, demokratische" Version dieser Spezies. Bei jedem nicht-serbischen Politiker würde die "nationalistische" Etikettierung zu gewaltiger westlicher Empörung führen und den solchermaßen Charakterisierten von der politischen Bühne fegen. Aber – wenn zwei Nationalisten dasselbe tun, so ist es offenbar nicht dasselbe.

Kostunica wird als Verdienst angerechnet, sich 1974 dem Tito-Regime "widersetzt" zu haben. Verschwiegen wird allerdings: Kostunica widersetzte sich damals der neuen Bundesverfassung, weil sie ihm zu wenig zentralistisch war, den Provinzen zu viel Rechte gab und so den großserbischen Zielen zuwiderlief.

Als dann 1991 der Überfall der Jugo-Armee und serbischer Freischärler auf Kroatien begann, Vukovar und Dubrovnik belagert wurden, engagierte sich Kostunica aktiv gegen die "kroatischen Separatisten". Nach Beginn des Bosnien-Krieges verbrüderte er sich – wie die meisten serbischen Oppositionellen – mit dem inzwischen als Kriegsverbrecher untergetauchten bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic. Als Milosevics Soldateska begann, die Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben, fand Kostunica das ganz in Ordnung. Er ließ sich bei einem Kosovo-Besuch martialisch in Tarnuniform und mit schußbereiter Maschinenpistole fotografieren.

Während des Wahlkampfes fiel dieser "Hoffnungsträger" durch antiwestliche Erklärungen auf. So versicherte er, im Falle eines Sieges werde er weder Milosevic noch irgendeinen anderen Serben ans Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag ausliefern. Das Kosovo ist für ihn – wie für Milosevic – ein Teil Serbiens: d.h. auch unter ihm wird der Konflikt mit den Albanern weitergehen. Und: "In meiner Seele werden die Nato-Angriffe immer eine offene Wunde bleiben", sagte er unlängst, "die Serben dürfen diese Bombennächte nie vergessen, sonst hören sie auf, Serben zu sein". Außenpolitisch strebt er zur EU, hat aber zugleich auch intensive Verbindungen zu Rußland. Auch er betrachtet Moskau als historischen Bundesgenossen der Serben.

Kostunica verurteilt zwar Milosevic, weil dieser Serbien ruiniert habe, aber er findet kein Wort des Bedauerns für das unermeßliche Leid, welches die großserbische Idee über die Nachbarn Serbiens gebracht hat. Als "Großserbe" will er, mit tatkräftiger Hilfe des Westens, Serbien wieder zur Vormacht im Südosten werden lassen. Das brennende Dubrovnik, die Massengräber in Vukovar, die 7.000 abgeschlachteten Bosnier in der Uno-Schutzzone Srebrenica – das ist wohl längst vergessen.


 
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