© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
Die SPD, Thierse und das liebe Geld
Parteien: Dunkle Finanzgeschäfte bei den Sozialdemokraten / Kritik aus der Opposition am Bundestagspräsidenten
Paul Rosen

Zwei Nachrichten der jüngsten Zeit zeigen, wie der Berliner Spenden-Untersuchungsausschuß von der rot-grünen Mehrheit instrumentalisiert wird: Als der Spiegel mit der nicht besonders frischen Nachricht herauskam, der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Willi Rawe, habe Anfang der achtziger Jahre aus der Fraktionskasse fünf Millionen Mark in bar an die CDU übergeben, kündigte die SPD die unverzügliche Ladung Rawes vor den Untersuchungsausschuß an. Als jedoch bekannt wurde, daß es im Finanzimperium der Sozialdemokraten zu einer zweiten Unregelmäßigkeit wiederum in zweistelliger Millionenhöhe gekommen war, schob die SPD/Grünen-Mehrheit im Ausschuß das Thema auf die lange Bank. Die Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier, kann sich freuen. Sie dürfte frühestens dann vernommen werden, wenn sich für den Spenden-Untersuchungsausschuß kein Mensch und kein Journalist mehr interessiert. Und nach der dritten Vernehmung der Hauptbeteiligten an irgendeinem Skandal – in diesem Fall Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble – hat die Öffentlichkeit bekanntlich die Nase von Parlamentsausschüssen gestrichen voll.

An dem Verhalten der Mehrheit im Ausschuß wird deutlich, daß SPD und Grüne ein eigenartiges Verhältnis zur Macht und dem Umgang mit ihr haben. Gewiß ist ein Untersuchungsausschuß kein Gericht und somit nicht unabhängig. Aber er hat gerichtsähnliche Befugnisse. Dies müßte für besonnene Abgeordnete Anlaß genug sein, die Wünsche der Minderheiten und kleinen Fraktionen ernst zu nehmen und gleichrangig zu berücksichtigen. Doch das taten SPD und Grüne weder bei dem Versuch der Union, die 17-Millionen-Mark-Dividendenzahlung der SPD-eigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) aufklären zu wollen, noch beim jüngsten Fall: Jetzt kam nämlich heraus, daß das SPD-Firmenimperium im Jahre 1986 eine ihm gehörende Druckerei von einer SPD-Firma an die andere verkauft hatten. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Nur der Verbleib des Geldes bleibt im Dunkeln.

Fest steht nur, daß die SPD 1986 ihren 90prozentigen Anteil an der kränkelnden Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt GmbH (Auerdruck) an das ebenfalls unter SPD-Regie stehende Druckhaus Deutz verkauft hatte. Der durch einen Zufall in die Öffentlichkeit gelangte notarielle Kaufvertrag nennt einen Preis von 63 Millionen Mark, ein stolzer Betrag für eine sieche Firma. Aber wo das Geld hingeflossen ist, ließ sich bisher nicht schlüssig klären. In Rechenschaftsberichten der SPD findet sich die Summe jedenfalls nicht. Frau Wettig-Danielmeier hatt nur sehr allgemein gehaltene Äußerungen verbreitet. So teilte sie in einer ersten Stellungnahme mit, die Mittel seien genutzt worden, "um Darlehen zu begleichen und andere auszubuchen". Später sprach die Schatzmeisterin von "In-Sich-Geschäften".

Vielleicht ist das Verkaufsdatum alles andere als ein Zufall. Der Termin 1986 lag vor der wichtigen Bundestagswahl 1987, als die SPD alle Hoffnungen auf Johannes Rau als Kanzlerkandidaten setzte. Dessen aufwendige Wahlkampagne mußte irgendwie finanziert werden. Floß der Verkaufserlös oder ein Teil davon etwa in eine schwarze Wahlkampfkasse?

Der Verdacht besteht, auch wenn für die SPD und ihre Schatzmeisterin wie in jedem anderen Fall die Unschuldsvermutung gilt. Doch Aufklärung ohne richterliche Handhaben oder ohne rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten ist bei den Genossen besonders schwer. In dem verschwiegenen Imperium der SPD von Zeitungsverlagen, Druckereien und anderen Medienunternehmen herrscht eine Schweigepflicht, die man sonst nur von einer gewissen Vereinigung auf Sizilien kennt.

Diese Erfahrungen mußten schon alle diejenigen machen, die etwas mehr Licht in das Dunkel einer Dividendenzahlung der DDVG aus dem Geschäftsjahr 1997 bringen wollten. Wieder fällt die zeitliche Nähe zu einer Bundestagswahl auf: War 1987 Johannes Rau Kanzlerkandidat, so war es 1998 Gerhard Schröder – 17 Millionen Mark, die die DDVG an ihre Eigentümerin SPD ausschüttete, tauchten im Rechenschaftsbericht nicht auf. Laut Frau Wettig-Danielmeier wurden damit Kosten für die neue Parteizentrale in Berlin beglichen. Rechtlich, so behauptete die SPD, sei man völlig korrekt vorgegangen, weil die Finanzierungskosten mit der Dividende hätten zunächst verrechnet werden können. Man sei nur verpflichtet gewesen, den Saldo der Operation in die Bilanz zu stellen. Etwa drei Millionen Mark wurden dann tatsächlich auch ausgewiesen.

Nachprüfbar waren diese Ausgaben nicht. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse prüfte zwar die Vorgänge, stellte jedoch die Prüfung nach ungewöhnlich kurzer Zeit wieder ein, ohne irgendwelche Besonderheiten feststellen zu können. Alles sei nach Recht und Gesetz erfolgt, hieß es aus dem Bundestagspräsidium. Auch im Fall des Druckerei-Verkaufs fing Thierse an zu prüfen. Er forderte Frau Wettig-Danielmeier auf, einen Wirtschaftsprüfer einzusetzen, setzte jedoch – im Vergleich zu anderen Fällen völlig unüblich – der SPD keine Frist zur Abgabe eines erläuternden Berichts.

Völlig im Dunkeln bleiben auch SPD-Finanzgeschäfte aus den siebziger und achtziger Jahren. Schon vor vielen Jahren ermittelte die Bonner Staatsanwaltschaft gegen den inzwischen verstorbenen Schatzmeister Alfred Nau, dem vorgehalten wurde, Spenden für die SPD bei der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung verbucht zu haben, um leichter Spendenquittungen für die Empfänger ausstellen zu können. Von der Ebert-Stiftung floß das Geld weiter auf ein Schweizer Konto der Fritz-Naphtali-Stiftung, eine Gründung des israelischen Gewerkschaftsbundes. In Israel scheint das Geld jedoch nie angekommen zu sein.

Und wieder fällt der Zusammenhang mit einem Wahlkampfjahr auf: 1980 – Helmut Schmidt war Bundeskanzler und wollte wiedergewählt werden – konnte Nau der SPD Bargeld unbekannter Herkunft in Höhe von 6,27 Millionen Mark übergeben. Seinem Nachfolger Halstenberg soll Nau gesagt haben, er solle lieber nicht danach fragen, woher das Geld stamme. Die Ermittlungen der Staatsanwälte scheiterten nicht zuletzt am strengen Schweizer Bankgeheimnis. Irgendwann stellten die Staatsanwälte das Verfahren ein. Die Beteiligten waren entweder verstorben oder verhandlungsunfähig.

Einem neuen Verdacht, daß Schwarzkonten der SPD in der Schweiz viel länger als nur zu Naus Zeiten bestanden haben könnten, ging der Berliner Untersuchungsausschuß bisher nicht nach. Auch der für die staatliche Parteifinanzierung zuständige Thierse hat sich bisher nicht dafür interessiert. Für den Obmann der CDU/CSU im Spenden-Untersuchungsausschuß, Andreas Schmidt, bleibt ein bitteres Fazit: "Öffentlich ist es so, daß der Bundestagspräsident bei seinen Entscheidungen bezüglich der SPD-Finanzen immer auch den Hut des stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden trägt."


 
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