© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
"Staatlichkeit als Grundlage der Gemeinschaft"
Deutsche Einheit: Vera Lengsfeld hielt beim Institut für Staatspolitik in Berlin die Festrede
Hans-Peter Rissmann

Mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld hätte das konservative "Institut für Staatspolitik" für seine am 2. Oktober im Berliner Kronprinzenpalais, Unter den Linden abgehaltene Feierstunde "Am Vorabend der Einheit" keine passendere Wahl treffen können: Nicht nur, daß Vera Lengsfeld zu Zeiten des DDR-Regimes eine der prominentesten Bürgerrechtlerinnen war – Mitbegründerin der Ost-Grünen, trat sie 1996 mit sechs weiteren Bürgerrechtlern zur CDU über –, vor allem zäumte sie in ihrer Rede scharfe Worte im Sinne Rosa Luxemburgs ("Sagen, was ist!") mit den Zügeln von Nüchternheit und Fairneß. Und daß dabei freilich all jenen, die zu Zeiten der Teilung zynisch, falsch oder lau gewesen sind, moralisch der Rücken gebleut wurde, ist also nicht politische Rachsucht, sondern Folge eines sittlich-menschlichen Anspruchs, den sich Vera Lengsfeld aus den Zeiten der Bedrängung nur bewahrt hat.

Im klassizistischen Festsaal von altpreußischer Dezenz gegenüber dem Deutschen Historischen Museum versammelten sich achtzig geladene Gäste. Unter von Kerzen bekränzten Lüstern folgte man nicht nur den Einsichten, die die Referentin eröffnete, sondern lauschte vor und nach dem Vortrag den klassischen Klängen der Klaviersolistin Ursula Meyer und dem Lyriker Jörg Bernig, der aus seinem Werk lesend das "Hinüberwachsen" des Landes, der Menschen und der Geschichte in die Epoche der Einheit dem Hörer nahebrachte.

Die Einführung sprach Stefan Hanz, Mitglied des Gründungskollegiums des noch jungen Instituts für Staatspolitik, das sich die Erforschung der Staatlichkeit als Grundlage aller funktionierenden Gemeinschaft zur Aufgabe gemacht hat. Staatspolitisches Bewußtsein, so Hanz, sei die entscheidende Grundlage für die konstruktive und produktive Wirkung des Aufstandes der Bürger von 1989 gewesen, dessen Frucht wir heute in Form der deutschen Einheit genießen. Staatspolitisches Bewußtsein sei es auch gewesen, das die innere Steuerung der Erhebung bestimmte: "Erst als die Demonstranten feststellten, daß ihr Ruf ’Wir sind das Volk’ in ihrem Staate ungehört blieb, riefen sie ’Wir sind ein Volk’."

Vera Lengsfeld bekräftigte in ihrem Vortrag (siehe auch den Abdruck des Vortrages auf Seite 14 ), daß es keine Alternative eines "Dritten Weges" zur Vereinigung mit Westdeutschland gegeben habe. Scharf griff sie die westdeutsche Linke an, die "beim temperierten Chianti von der deutschen Schuld und der Zweistaatlichkeit als Friedensfaktor" palavert habe und kein Interesse an der Wiedervereinigung gezeigt habe. Die deutsche Einheit sei ein großer Erfolg: "Das Leben kann mißlingen, dies ist ein Preis der Freiheit. Die Einheit Deutschlands ist jedenfalls gelungen."

Informationen: Institut für Staatspolitik, Alte Frankfurter Straße 54, 61118 Bad Vilbel, Tel/Fax: 0 61 01 / 50 11 20


 
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