© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
60 Milliarden sinnlos vergeudet
Steuerzahlerbund: Das "Guiness-Buch" der Verschwendungsrekorde dokumentiert Milliardenverschwendung
Ludwig Schickle

Alle Jahre wieder", könnte man eigentlich schon trällern. Denn seit Anfang der siebziger Jahre wird jedes Jahr nach der politischen Sommerpause ein ganz besonderes Guinness-Buch der Rekorde veröffentlicht. In diesem Buch geht es weder um "höher", noch "länger" und schon gar nicht um "weiter", es geht darum, wer am ineffektivsten möglichst viel Geld, das ihm gar nicht gehört, zum Fenster rauswirft: das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler.

Es ist sozusagen die Rekord-Sammlung der größten und imposantesten Steuergeldverschwendungen in der Bundesrepublik. So geht der Bund der Steuerzahler davon aus, daß jährlich rund 60 Milliarden Mark durch unverantwortlichen Umgang seitens von Politik und Behörden einfach so zum Fenster hinausgeworfen werden. Und so ist auch dieses Jahr wieder das große Zittern für Politiker und einige Beamte angesagt.

Da finden sich im ersten Kapitel Schildas Partnerstädte –  eine Sammlung herrlich grotesker Fälle aus der bunten Welt der Fehlplanungen. Hier zeugt gleich der erste Fall von nicht ganz ausgereiftem planerischen Weitblick: In der brandenburgischen Gemeinde Philadelphia wurde letztes Jahr eine Brücke über den Storkower Kanal feierlich eingeweiht. Das 1,2 Millionen Mark teure Bauwerk hat nur einen Schönheitsfehler. Mit seinen 3,69 Meter Höhe ist es geringfügig niedriger als sein baufälliger Vorgänger. Das bedeutet, daß Schiffe Schwierigkeiten bei der Durchfahrt haben und mittlerweile spezielle Tanks mitführen müssen, die ein Absenken ermöglichen. Über eine 469.000 Mark teuer veranschlagte Anhebung wurde noch nicht entschieden

Aber auch das Kapitel "Fehlplanungen und Bauskandale" bietet Fälle, die eigentlich erheiternd wären, wenn nicht so teuer. So hat man sich zum Beispiel bei der Einschätzung der Einäscherungsfreudigkeit der Hauptstädter etwas vertan. Erst kürzlich wurde das größte Krematorium Berlins fertiggestellt. Es ist nicht irgendein Krematorium, denn das Gebäude wurde von Stararchitekt Axel Schultes entworfen. Und bevor die Verwandten die Asche des Verstorbenen in einer Designerurne beisetzen können, wird dieser in der hochtechnisierten, computergesteuerten und natürlich umweltfreundlichen Anlage verbrannt. 13.000 Kremationen könnten in dem 60 Millionen Mark teuren Luxusgebäude jährlich stattfinden, das sind rund 36 Einäscherungen am Tag. Da der Berliner jedoch wahrscheinlich günstigere Möglichkeiten für das stilvolle Ableben vorzieht, wird das Krematorium wohl meistens kalt bleiben.

Interessant auch, was der mündige Bürger im Kapitel "Verschwendung ohne Tempolimit" lesen kann. Da wird gebaut und gepflastert, abgerissen und stillgelegt daß es nur so kracht. Ein besonderes Schmankerl ist hierbei der deutsche Wald, genauer: der Schilderwald. So soll von den 20 Millionen Verkehrsschildern mindestens jedes fünfte überflüssig sein. Der Bundesrechnungshof geht davon aus, daß alleine für die Schilder auf den Bundesfernstraßen 100 bis 200 Millionen Mark unnötig ausgegeben werden. Das Bundesverkehrsministerium gesteht davon nur 5,5 Millionen ein; soviel zum Sparwillen der Politik.

Am interessantesten jedoch sind die Ausgaben der Bundesregierung für Public Relations-Maßnahmen, die offensichtlich dringend gebraucht werden, um die Bundespolitik dem Wahlbürger schmackhaft zu machen. Amtsdeutsch heißt das dann "Information der Bevölkerung". So gab Finanzminister Eichel 7,5 Millionen Mark nur dafür aus, die Bevölkerung zu informieren, daß es eine Steuerreform gegeben hat. Als ob man aufgrund der Medienberichterstattung nicht von selbst darauf gekommen wäre.

Und das Bundesgesundheitsministerium schreckte nicht mal vor Clowns und Theater zurück, um die Wähler mit der rot-grünen "Gesundheitsreform" zu versöhnen. Der Zirkus Roncalli ließ sich sein Engagement mit 99.400 Mark vergolden. Kein Wunder also, wenn der Öffentlichkeitsetat des Ministeriums von 980.000 Mark 1998 auf 3,26 Millionen Mark im Jahr 2000 aufgeblasen werden mußte. Diese Ausgaben lassen bereits erahnen, was wohl die Kampagne der Bundesregierung für die doppelte Staatsbürgerschaft kostete.

Eine Frage bleibt zum Schluß offen: Wie kann man solche Verschwendungseskapaden einschränken oder gar verhindern? Wie kann man Politikern und Beamten das Sparen beibringen? Was kann getan werden, damit das Wort "Sparsamkeit" mehr ist, als nur eine von Politikern bis zum Erbrechen mißbrauchte Worthülse?

Alle Jahre wieder antwortet der Bund der Steuerzahler mit einigen kleinen, aber tiefgreifenden Vorschlägen: Ein wirksames Sanktionsinstrumentarium zur Bekämpfung der Steuergeldverschwendung, wie zum Beispiel die Einführung des Straftatbestands der Amtsuntreue sowie die Einrichtung eines sogenannten Amtsanklägers. Und alle Jahre wieder gelobt die Politik auf allen Ebenen Besserung, und alle Jahre wieder werden die Rekorde des Vorjahres gebrochen.


 
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