© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
Polit-Kitsch als Gesamtkunstwerk
Österreich: Andre Heller reibt sich an FPÖ-Politikern / Klage zurückgezogen
Peter Sichrovsky

Das PR-Genie Andre Heller hat in verschiedenen Interviews in österreichischen Zeitschriften Politiker und Funktionäre der FPÖ beleidigt. Diese klagten gegen Heller, woraufhin der "Clan der Gutmenschen" mit einem Aufschrei der Empörung reagierte und von einer "Verfolgung der Künstler" sprach, obwohl dieselben "Kunstexperten" Andre Heller verächtlich die Ehrenbezeichnung "Künstler" nie gönnten.

Die FPÖ zog die Klage zurück, als sie erfuhr, daß Heller bereits 30 Kamerateams für den Verhandlungstermin organisierte. Der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit war die ganze Angelegenheit dennoch zwei Artikel wert. TV-Teams aus der Bundesrepublik kamen nach Österreich, und keine Zeitung und kein Wochenmagazin konnte an dem vermeintlichen Kultur-Kampf vorbei.

Der angeblich in Italien lebende Gesamtkünstler, von seinen engsten Freunden einfach "Franzi" gerufen, wurde seit der Polit-Posse mit den Freiheitlichen auch plötzlich öfter in Wien gesehen. In der schönen, renovierten Innenstadt ging er auf und ab und wartete scheinbar auf diese so wichtigen Blicke der Fans und Sympathisanten, in denen die vereinspolitische Unterstützung erkennbar ist.

"Franzi" Heller begab sich in die böse, enge Welt der blau-schwarzen Regierung, um ihr den Krieg zu erklären. Nach wochenlangen Demonstrationen, Protesten, langweiligen Erklärungen von Intellektuellen, Künstlern und wer sich sonst noch berufen fühlte, sich zu Wort zu melden, muß der einsame Künstler in seiner Villa am Gardasee gespürt haben, daß er dabei ist, eine PR-Chance der besonderen Art zu verpassen.

Vielleicht sprach er zu seinem Diener, von dem ich einst die Ehre hatte, meine Tasse Kaffee mit weißen Handschuhen serviert zu bekommen, daß er seinen Koffer packen solle, da er hinüber in die verhaßte Heimat sich begeben müsse, um endlich einen Teil dieses Lärms um die FPÖ in einen Applaus für Andre Heller umzuwandeln.

Keiner jedoch kümmerte sich um die Äußerungen Andre Hellers gegen die FPÖ. Kaum einer kannte sie, und selbst Die Zeit wagte den journalistischen Intelligenzausbruch und brachte die Textstellen, um die sich alles drehte, erst eine Woche, nachdem sie über die Klage gegen Heller berichtet hatte. Da ging es schon nur noch um die Verfolgung des armen Künstlers. Es lohnt sich jedoch, die kritischen Bemerkungen Andre Hellers gegen die FPÖ genauer zu betrachten. Da finden wir das "wollüstige Verlangen der FPÖ-Führer, die Kritik abzuschaffen", welches als "klares Merkmal jeder Führerbewegung" (natürlich nur) von Herrn Heller erkannt wird. Er fordert hier: "Wir wollen der Wahrheit Millimeter für Millimeter Boden erobern", was leider "knochenhart" werden wird.

Weiter bezeichnet er die FPÖ-Politiker als "seelenhygienisch heruntergekommene Politemporkömmlinge und sonstige Bierzeltanimateure, die nicht die geringste Einsicht in ihre Peinlichkeit, Niedertracht und häufige Absurdität" hätten. Zuletzt schreit er nach einem "geistig, aber um so erbitterter geführten Bürgerkrieg" und fürchtet jede Begegnung mit alten Bekannten, weil er sich insgeheim fragt: "Wo steht der?"

Das Geschrei Andre Hellers könnte man mit Humor ignorieren, wenn es nicht so scheußlich wäre. Da steht der Herr Künstler vor dem österreichischen Volk und teilt es nach seinen "seelenhygienischen" Kriterien in die seelisch "Sauberen" und "Schmutzigen". Da spricht er ohne Scham vom Grabenkampf gegen eine von 27 Prozent der wahlberechtigten Österreicher unterstützten Partei, weil diese von heruntergekommenen Aufsteigern repräsentiert werde, die bestenfalls im Bierzelt für Unterhaltung sorgen können.

Warum nur haben das all die Wähler der FPÖ nicht erkannt? Warum sind sie nicht im Besitz dieses politischen Röntgenblickes, der das Schmutzige vom Sauberen trennen kann? Warum haben die FPÖ-Wähler nicht jene Begabung eines Herrn Heller, sich selbst an dem einen Ufer des Flusses zu sehen auf dessen anderen Seite all der Dreck und Schmutz sich sammelt, zu dem er Gott sei Dank nicht gehört?

"Der eigentliche Mutterboden aller Kunst ist das Volk", sagte einst der Philosoph Herder. Andre Heller würde in ihm wahrscheinlich einen Nazi erkennen, auch wenn der Ausspruch aus dem 18. Jahrhundert stammt.

Denn genau hier verirrt sich der Künstler Heller in die Richtung, die er vorgibt zu bekämpfen. Faschistoid ist nicht nur sein lächerliches Elitedenken, das er uns vorspielt wie ein Schmierenkomödiant, und seine Verurteilung des ach so primitiven und gefährlichen Bierzeltvolkes. Faschistoid ist vor allem sein Haß auf diesen seelischen Dreck in der Bevölkerung, der die weißen Handschuhe seines Dieners beschmutzt und sich jetzt auch noch die Frechheit nimmt, die politischen Verhältnisse zu verändern.

Sein eigenes psychohygienisches Problem ist der Ekel vor genau diesem Volk, das die von ihm entworfene Kristall-Welt und den Ausstellungspavillon bei der Expo besucht und ihm einen unglaublichen Reichtum beschert – ihm jedoch gleichzeitig die Hochachtung der Hochkultur verweigert. Vielleicht haßt Franzi Heller sich selbst für seine Anal-Akrobatik bei sozialdemokratischen Politikern, die ihm einst einen zweistelligen Millionenbetrag dafür bezahlten, daß er ein paar Luftballons über New York fliegen ließ.

Nur noch kalt läuft es einem über den Rücken bei seiner Bemerkung über die Ungewißheit bei alten Bekannten, ob diese nun auf der richtigen Seite stehen. Wer erinnert sich nicht an die schaurigen Geschichten der jüdischen Überlebenden über die ersten Wochen nach dem Anschluß, als sie sich nie sicher waren, wie die "arischen Freunde" sich ihnen gegenüber verhielten. Heller führt diese Panik der Diktatur zurück in die Demokratie und macht unterschiedliche politische Überzeugungen zu Werturteilen über Menschen, die einst Grund für Tod oder Überleben waren.

Diese Unfähigkeit, eine politische Überzeugung als "richtig oder falsch" zu sehen, sondern immer in der Kategorie von "Freund und Feind" zu denken, ist jene Geisteshaltung, auf die jeder Diktator seinen Anhang organisisiert.

Es ist immer die Sprache, die letzten Endes einen Täter überführt. Wenn Andre Heller versucht, seinen politischen Unmut, der ihm zusteht wie jedem in einer Demokratie, auf eine verzweifelt künstliche Art zu dramatisieren, dann bricht durch, was dieser Herr sonst geschickt verbirgt: ein Charakter, der eine gewisse Wollust verspürt, seinen politischen Gegner mit Bürgerkriegs-Methoden zu vernichten.

Und dies ist – um bei einem Originalzitat des Herrn Hellers zu bleiben – "in der Zweiten Republik ohne Beispiel und erschreckend".

 

Peter Sichrovsky ist seit 1996 Europaabgeordneter der Freiheitlichen Partei Österreichs und seit diesem Jahr der für Außenpolitik zuständige Generalsekretär der FPÖ.


 
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