© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
Blick in die Medien
Ferner liefen
Michael Oelmann

Ziemlich kitschig ging das Volksfest der Nationen auf dem Strafgefangenenkontinent Australien zu Ende. "Früher war mehr Lametta", das gilt nur noch für Weihnachten. Olympia heute, das ist Biotechnologie flambée, Höchstleistungen mit anschließendem Rambazamba und Feuerwerk. Nur nicht so ganz für das Land mit dem Lutz-Lebowsky-Syndrom: Deutschland konnte sich nur mit Ach und Krach noch aus dem totalen Medaillen-Desaster – im Wortsinne – herausrudern. Ohne die Disziplinen Einer-Aussitzen, Mannschafts-Wehklagen und 50 Jahre Bußen und Beugen wird sich daran wohl so schnell nichts ändern.

Der Preis für die fundierteste Olympia-Berichterstattung indes geht an die Harald-Schmidt-Show. Dort nämlich präsentierte der Unterhaltungskünstler den Medaillenspiegel treffend mit zwei deutschen Mannschaften präsentiert: DDR und BRD. Klasse Idee, denn nur so wird das ganze Ausmaß des olympischen Desasters Deutschlands sichtbar. Ohne die noch verbleibenden Reste ostdeutschen Sportlergeistes und Disziplin dümpelt das satte, fette Westdeutschland in der Nationenwertung glatt hinter Indonesien (jedoch immerhin noch vor der Schweiz!). In ARD und ZDF wurde dagegen in epischer Breite jeder Pups deutscher Athleten kommentiert und so getan, als hätte Deutschland noch was zu melden in der Welt – sportlich oder sonstwie.

Wer Augen hat, der sehe: Deutschland top – das war einmal vor langer Zeit. Wir sind endgültig ein Volk unter ferner liefen. Irgendwie befreiend, die Einsicht.


 
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