© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/00 20. Oktober 2000

 
UMWELT
Es lebe der Todesstreifen
Volker Kempf

Dank der DDR gibt es ein exakt 1.393 Kilometer langes Biotop. Das ehemalige innerdeutsche Grenzland ist noch heute ein Refugium von seltenen Tier- und Pflanzenarten. Bisweilen fliegen sogar vom Aussterben bedrohte Vögel herum, etwa der Schwarzstorch, das Birkhuhn, das Braunkehlchen oder der Raubwürger und der Ziegenmelker. Doch nicht aus Liebe zur Natur entstand das "Grüne Band", sondern im Namen des Antifaschismus aus Haß gegenüber allen DDR-Abtrünnigen. Nein, Sinn für ökologische Fragen hatten die in der SED organisierten Sozialisten keineswegs. Und heute? Nur das von Kurt Biedenkopf (CDU) geführte Land Sachsen hat sich dazu durchringen können, seinen gesamten Anteil von 41 Kilometer am "Grünen Band" unter Naturschutz zu stellen. Auch Bayern und Hessen wollen Schutzmaßnahmen entlang des "Grünen Bandes" ergreifen. Ewiggestrig hingegen geht es in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu. Das nationale Naturerbe scheint nur wenig Wert zu besitzen, weil es keinem Arbeiter nützt und somit überflüssig ist. Damit beginnt ein Gerangel um die Grünflächen, die zu 50 Prozent dem Bund gehören. Über 400.000 Mark Spendengelder hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mittlerweile in Thüringen und Sachsen-Anhalt aufgebracht,um Flächen vor dem Zugriff von Betonköpfen freizukaufen. Der in weiten Teilen vor dem Ausverkauf stehende Todesstreifen ist eine Lebenslinie für Pflanzen und Tiere, sowie ein Denkmal für die Verbrechen, die im Namen des Antifaschismus begangen wurden. Gott erhalt’s.


 
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