© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Günther Beckstein
Die Geister, die er rief
von Philip Plickert

Anfang August überraschte der bayerische Innenminister Günther Beckstein mit seiner Forderung nach einem Verbot der NPD. Da die Partei zu einem Sammelbecken militanter Neonazis geworden sei, sieht er Chancen für einen Verbotsantrag beim Verfassungsgericht. Zunächst äußerte sich die Bundesregierung skeptisch, aber im Zuge der "Kampagne gegen Rechts" war Becksteins Aktionismus bald mehr gefragt als juristische Bedenken.

Günther Beckstein, mit einer Schrift über den "Gewissenstäter im Strafrecht" promoviert der 57jähriger Jurist aus Franken, ist Stoibers wichtigster Mann im Kabinett. Seit 1993 ist er Innenminister im Freistaat und hat sich einen Namen als gradliniger "law-and-order"-Politiker gemacht. Ob bei den von der PKK gesteuerten Kurdenkrawallen, der Rückführung von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina, der mehr oder weniger sachlichen Aufklärung über die Scientology-Sekte, stets hat er markige Worte gefunden. Zur wirkungsvolleren Bekämpfung der Kriminalität will er Brennpunkte mit Kameras überwachen lassen, Fahrverbote als "Denkzettel-Strafen" und "Einstiegsarrest" für Jungverbrecher einführen, und künftig soll das Erwachsenenstrafrecht wieder zwingend für 18jährige gelten. Die Zuwanderungsbelastung will Beckstein innerhalb der EU gerecht verteilt sehen und fordert ohne Rücksicht auf die political correctness: "Wir brauchen mehr Ausländer, die uns nützen, und weniger, die uns ausnützen."

Nachdem Beckstein im Streit um den Doppelpaß der Bundesregierung vorgeworfen hatte, sie ermögliche die Einbürgerung von mehreren zehntausend ausländischen Extremisten, bezichtigte ihn der Grüne Volker Beck umgehend der "Volksverhetzung". Beckstein weiß natürlich, daß die "Faschismuskeule" auch gerne gegen die CSU geschwungen wird. Womöglich aus diesem Grunde setzte er sich an die Spitze der Antifa-Bewegung. Sollten nach einem erfolgreichen Verbotsverfahren, dessen Dauer er auf zwei Jahr schätzt, NPD-Aktivisten massenhaft zu anderen Parteien wechseln, "würden wir auch gegen die DVU und die Republikaner Verbotsanträge stellen", sagte er dem Magazin Focus. Ziemlich gewagt, denn selbst im Fall der NPD ist zweifelhaft, ob die Beweise für ein Parteienverbot reichen.

Die Geister des Antifaschismus wird Beckstein nicht mehr so rasch los. Unter der Überschrift "Wertkonservative spielen mit dem Feuer" berichtete eine Agentur von einer Tagung der evangelischen Akademie Tutzing am vergangenen Wochenende. Michel Friedman erhielt dort langen Applaus für seine Botschaft: "Der Rechtsradikalismus kommt mitten aus unserer Gesellschaft. Heute gibt es immer mehr Sympathisanten im bürgerlichen Lager, die man nicht mehr nur in den Bierzelten, sondern auch bei den Champagnerempfängen trifft." Und in fränkischen Weinstuben? Welches linke Medientribunal akzeptiert eines Tages noch Becksteins Entschuldigung: "Ich war doch als erster fürs NPD-Verbot!"


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen