© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
"Der freie Geist ist eine Provokation"
Frankfurter Buchmesse: JF präsentierte Sammlung von "Pankraz"-Kolumnen / Vorwort von Herbert Kremp
(JF)

Alten Freunden und neugierigen Lesern präsentierte sich die JUNGE FREIHEIT in der vergangenen Woche auf der Frankfurter Buchmesse. Redakteure, Mitarbeiter und Autoren verteilten tausendfach die letzten beiden Ausgaben der JUNGEN FREIHEIT an das vorbeibummelnde und am Stand verweilende Messe-Publikum. Autoren und Redakteure stellten sich wie immer dem Publikum zum Gespräch, der Stand wurde wie in den vorigen Jahren zu einem beliebten Treffpunkt konservativer Leser.

Höhepunkt in diesem Jahr war die Präsentation des zweiten Titels in der hauseigenen Reihe "Edition Junge Freiheit", bei der Verleger wie Peter Weiß (Karolinger Verlag), Wolfgang Dvorak-Stocker (Stocker Verlag) und Herbert Fleissner (Langen Müller/Herbig) zugegen waren. Chefredakteur Dieter Stein schilderte in seiner Ansprache, wie Günter Zehm zur JUNGEN FREIHEIT gekommen war: In der schwersten Stunde, kurz nach Brandanschlägen auf Druckerei, Vertriebs- und Redaktionsfahrzeuge habe sich Zehm zur JF bekannt. Nicht zuletzt ihm sei es zu verdanken, daß die JF heute noch erscheine, weil er der bedrängten Redaktion Mut gemacht habe durch seinen Beistand. Zum Dank legte der Verlag jetzt den Band "Pankraz. Kolumnen aus der JUNGEN FREIHEIT" vor, der die geschliffensten Wortattacken gegen den Zeitgeist versammelt. Besonders freuten den sichtlich gerührten Kolumnisten die anerkennden Worte der Kollegen aus altenWelt-Tagen, des extra aus Wien angereisten Osteuropakorrespondenten Carl Gustaf Ströhm und des ehemaligen Chefredakteurs der Welt, Herbert Kremp. Kremp, der selbst auf der Buchmesse nicht anwesend sein konnte, hat das Vorwort verfaßt, aus dem die folgenden Auszüge stammen:

"Pankraz ist erfüllt von einer aufrichtigen, ja ungeheuren Liebe zur Freiheit und zum Vaterland.

Ich kenne Günter Zehm seit Herbst 1968, aber ich wußte zunächst nicht, was ihn bewegt. Damals in der Welt-Redaktion wußte ich nur, daß sie ihn los sein wollten, seine bräsigen Kollegen vom Feuilleton: Er sei schwer zu haben, unbequem, phantastisch. Los – das hieß, ihn als Kulturkorrespondenten nach Rom wegzuschieben, weg von den Spalten der Zeitung, hin zu den Kolumnen des Forum Romanum, also Jahrhunderte weit weg. Das kam nicht in Frage, denn er hielt nun mal nicht Gebirge für Wolken, Kirchendächer für Berge und einen Turmhahn oder einen prächtig gefärbten Tiger für Gott. Nein, es war, wie ich alsbald bemerkte, ganz anders. Zehm sah in den 68ern zottelige Phantasten und in der Integrität Deutschlands das, was die Feder spitz zu halten lohnte.

Ihn bewegt der gesunde, gediegene Menschenverstand – wie oft verwendet Pankraz das Wort ’gediegen‘ in seinem edlen mittelhochdeutschen Sinn –, dem noch die junge Wirklichkeit in raren Glücksmomenten sich fügt. Und ein hoher Bildungsverstand, der im Getümmel die Übersicht behält. Der Leser dieser neuen Essay-Sammlung kann sich davon überzeugen. Was sind die Menschenrechte, wie verhalten sich Nation und Globalisierung zueinander, warum ist das fessellose Finanzkapital ein blind-brutaler Renner? Mitte, ’mittistisch‘ ist nichts an Pankraz, was aber ist an ihm links und rechts? Warum zwingt man in Deutschland Erinnerung raus, Negativ-Beschäftigung mit der eigenen Befindlichkeit rein? Gibt es Geistespolizei, Gesellschaftsbefehle, ähnlich Lächerlich-Gefährliches? Pankraz kann sich amüsieren – natürlich grollend, aber doch auch erheitert. (…)

Pankraz handelt von Pretiosen – von der Humanität und dem Skandal ihrer immerwährenden Gefährdung; von der seltsamen Legierung aus deutscher Spaß- und Schuldgesellschaft, an der eines nicht stimmen kann, Schuld oder Spaß. Pankraz denkt und beobachtet scharf. Es ist Philosoph und Biologe. Und ihn erregt etwas, das die Politik der Präsenzzeit, die Ventokratie, die Herrschaft des Bauches, ganz besonders kalt läßt: die Angst vor dem Ende der Kultur, die Angst um Heimat, um Vaterland, Familie und Tradition, um Schleier, Mythos, Tanz und Musik, ja, um Humanität, mit einem Wort. Nichts bietet dafür Ersatz. (…)

Aber ist das wirklich der ganze Günter Zehm? Wer ihn liest oder ihn gar kennt, ahnt oder weiß zwar, daß der Philosophie-Professor in Jena den praktischen Dienst in einer Weise verrichtet, daß die Studenten aller Semester ihn lieben. Doch geht die Abklärung, die ’unverwüstlich ruhige Freundlichkeit‘ bei ihm nicht so weit, daß der Vulkan erloschen wäre, das gründige Grollen im literarischen Schmollen. Günter Zehm politisch abzustempeln, wird nie und niemandem gelingen. Rechter, Linker, Konservativer, Radikaldemokrat – dies alles ist er in der höheren Ordnung, wie sie bei Cusanus zusammengeht. Auf die Bürger-Barrikade von 1848 hätte er gepaßt, zu den Schwarz-Rot-Goldenen von 1813 auch. Und der Nationalsozialismus hätte ihn in den Widerstand getrieben wie der realexistierende Sozialismus später, kaum war ihm bewußt geworden, daß der Turmhahn nicht Gott ist.

Günter Zehm wird unruhig bleiben, vulkanisch, explosiv. Und immer wird es Leute geben, die ihn zu fremden Säulen verbannen wollen. Denn der freie Geist ist eine Provokation; und die Überzeugung, die Menschen müßten die Götter anrufen, um besser zu werden, schiere, den Gesellschaftsgötzen kratzende Ketzerei. Ahnungslose in den Zeitungen ließen den Unbequemen, der das Herz nicht verbirgt, mehrfach fallen. Aber er ist nicht allein geblieben. Aufrichtigkeit schafft Pankraz ’Freundschaft in der Freiheit‘ – das Motto des Fähnleins der sieben Aufrechten."


 
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