© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Heiterer Apokalyptiker und notorischer Quertreiber
Der rot-weiß-rote Patriot Günther Nenning als Promotor des neuen Österreichgefühls
Werner Olles

Günther Nenning, "enfant terrible" der österreichischen Publizistik, heiterer Apokalyptiker mit dem Mut zur Realität, notorischer Quertreiber und unerschütterlicher Nonkonformist, bläst hier einmal mehr dem "Kampfbund Österreicher gegen Österreich" – wie er die politisch korrekten Befürworter der EU-Sanktionen ohne jede Hemmung tituliert – den Marsch.

Dabei ist er ein in der Wolle gefärbter rot-weiß-roter Patriot. 1921 in Wien geboren, von 1940 bis 1945 in der Deutschen Wehrmacht, doppelter Doktor (der Philosophie und Politikwissenschaft), langjähriger Herausgeber des "Forum", legendärer TV-Moderator ("Club 2", "III nach 9"), nach vierzigjähriger Mitgliedschaft aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen wegen seiner Teilnahme an der friedlichen Besetzung der Hainburger Au, Mitbegründer der Grünen, seit 1985 Kolumnist der Kronen-Zeitung, ferner der Wiener Presse und derWelt am Sonntag, Autor von über zwanzig Büchern: Nenning scheint in der Tat der "Aufwecker" der kleinen Alpenrepublik zu sein.

Gern bezeichnet er sich selbst als "Roten, Grünen und hellschwarzen Christen", aber "wenn man an all meinen Farben kratzt, kommt gleich darunter mein Rot-Weiß-Rot ans Licht". Der Protagonist eines neuen Österreichsgefühls verbirgt seine Vorliebe für ein historisch gewachsenes Europa der Vater- und Mutterländer keineswegs. Mit Leidenschaft, Witz und einer geradezu boshaften Feindesliebe macht dieser "Meister im Anderssein" Freund und Feind das Leben schwer und bezeugt dabei eine imponierende Übereinstimmung seines Schreibens mit seinem Leben.

Wer sich geschickt durch die tagebuchartigen Einträge des Buches arbeitet, wird mit ebenso haarsträubenden und urkomischen, vor allem aber politisch völlig unkorrekten Einsichten belohnt. Und wer sich seinen Sinn für Humor und politische Leichtigkeiten bewahrt hat, kommt hierbei auch ganz bestimmt auf seine Kosten. Denn wie Günther Nenning die allzeit zum "Widerstand" gegen die freie Entscheidung des Wahlvolkes bereiten Staatskünstler mitsamt der politischen Linken abbügelt, immer strikt aus einer flott und lässig – manchmal auch nur nachlässig – überlegenen Perspektive, lakonisch, schnoddrig und ironisch unterkühlt, das alles macht "Nenning schreibt für Österreich" zu einer ebenso boshaften wie amüsanten Lektüre.

Gnadenlos führt er die "todesmutigen Widerständler" gegen Haider und die FPÖ als Sklaven ihrer Eitelkeit und als nützliche Idioten des Kapitalismus und fremder Nationalismen und als Zirkusbären am Nasenring ihrer lebensfernen und lebensfeindlichen Ignoranz vor. Nenning weiß, man muß diesen Herrschaften nur ihre eigene Melodie vorspielen, um sie zum Tanzen zu bringen. Aber weil es sich bei ihnen um literarische Hochstapler und Möchtegernkünstler handelt, hält sich unser Mitleid mit den von seinem Schmäh, Witz und forciertem Zynismus Betroffenen doch sehr in Grenzen.

Da reicht es hin und wieder schon, einige der "Widerständler" nur zu zitieren. Und tatsächlich klang die differenzierte Soziologie der Wirklichkeit nie so dämlich dünn wie aus Elfriede Jelineks unberufenem Munde, wenn es darum ging, ihre Abscheu vor demokratischen Entscheidungen zu artikulieren. Wie anders unser Autor dagegen: jeder Satz eine geschliffene Sentenz, jedes Bonmot ein Schlag ins Gesicht der Politischen Korrektheit. Nenning, diesen Fixstern am österreichischen und deutschen Medienhimmel, zu lesen, macht selbst dann noch Spaß, wenn es einmal bitter ernst wird. 

 

Günther Nenning: Nenning schreibt für Österreich. Ueberreuter Verlag, Wien 2000. 192 Seiten, 34 Mark


 
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