© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Vivi@n: Burda wirft ein "vollkommen anderes" Frauenmagazin auf den Markt
Webscouts und Womanizer
Ellen Kositza

Die Entwicklung auf dem Zeitschriftenmarkt entspricht weitgehend dem Trend, der schon seit Jahren bei den Büchern festzustellen ist: Die Zahl der Einzeltitel wächst unaufhörlich, während die Zahl der Konsumenten insgesamt relativ konstant bleibt – hier wie dort ein beständiges Heischen nach oder Kreieren von Marktlücken.

Hart umkämpft ist die Frau als Konsumentin der bunten Unterhaltung: Unangetastet hält hier die thematisch vielseitige Bild der Frau die Vormachtsstellung nach Verkaufszahlen, der große Rest verfährt zielgruppenorientiert. Nach den Einstiegsheften für Backfische mit Fotoromanen und Autogrammadressen folgt die Riege Tina, Bella, Lisa, Laura, die, deutlich unter der drei D-Mark-Grenze, ein Potpourri an Koch-, Back-, Strick- und Schicksalsberichten bieten. Daneben bestehen Fossile wie Frau im Spiegel und die flatterigen Buntheftchen mit nur implizit weiblicher Zielgruppe wie das Goldene Blatt für eine Generation, bei der es als Wunder erscheint, daß sie statt auszusterben unaufhörlich nachzuwachsen scheint. Glänzender und teurer kommen die schicken Lifestyle-Magazine für die als souverän geltende Singlefrau daher: Haute Couture statt Häkelschick, Verführungstricks statt Eheberatung. Jeder das Ihre.

Und nun ist Vivi@n da, die neue, die andere Frauenzeitschrift. Vivi@n, das @als stummes e gesprochen das klingt anders als Petra und Brigitte, die Namen der heute Wechseljährigen, nicht so breithüftig wie Maxi und weniger lau als Tina und Bella. Vivian, so lautet vielleicht das Echo auf Barbie, das Kunstwesen – kein Mensch heißt wirklich so, das zweijährige Mischlingsmädchen ausgenommen, dessen Vater den Domainnamen vivian.de der Zeitschrift weggeschnappt hatte. Vivian also ist anders, natürlich. Altbekannte Sparten altbekannter Frauenzeitschriften wie "Leben heute", "Kosmetik & Schönheit" , Kino- und Veranstaltungsrubriken weichen hier den Themenfeldern "trend-guide", "beauty", "on tour" und "cinema". "Das neue Jahrhundert gehört den Frauen" wird programmatisch verkündet, ein reichlich unmotivierter, reflexartiger Spruch. Wieso sollte es, und was will vivi@n dafür tun?

Die neue Frauenzeitschrift sucht ihr Zielpublikum in der karriereorientierten Frau um die 30, die über "mindestens zwei bis drei Telefonnummern verfügt" und deren Jahresverdienst, so wird es in einem "Jobtalk" auf der "Business"-Seite skizziert, zwischen 115.000 und 143.000 Mark liegen dürfte. Susanne Walsleben, Chefin von insgesamt rund 60 Redakteuren für die gedruckte Ausgabe und den Online-Auftritt und bis vor wenigen Jahren verantwortlich für die mittlerweile eingestellte mitteldeutsche Sibylle, verspricht labyrinthisch, daß es sich trotz der Mischung aus politischen, wirtschaftlichen sowie Internet-Themen nicht um einen Focus für Frauen handeln werde – deshalb (!) seien in der vivi@n auch "Lifestyle, Fashion und Beauty" zu finden. Die Gewichtung des Faktors "Business", das Anpeilen der modernen, berufstätigen Frau ist dabei mitnichten eine Neuerfindung des Hauses Burda. Vorausgegangen sind mit vergleichbaren Formaten in jüngerer Zeit aus dem Konkurrenzhaus Condé Nast die Vogue Business, und auch Allegra und Brigitte haben sich mit vergleichbaren Themenheften unter die mittlerweile unüberschaubare Fülle an Frauenzeitschriften gemischt. 5,5 Millionen deutscher Frauen nutzen das Internet, und es verlangt keine waghalsige Prognosen, daß diese Zahl in den nächsten Jahren nicht stagnieren wird. Darum setzt vivi@n gezielt auf das neue Medium, hat zeitgleich mit dem Erscheinen der Nullnummer ein Internet-Portal eröffnet, und auch in der gedruckten Ausgabe informieren knapp 20 Seiten unter den Überschriften "Networker", "Webscout" und "Webcoach" über die Anwendung von Suchmaschinen ("die fünf wichtigsten Steps") und das Versenden von Links. Tatsächlich eine Neuheit ist die ausführliche Auflistung von Netz-Adressen zu nahezu allen im Heft abgehandelten Themen. Man stößt natürlich auf eine Erklärungskluft, die sich auftut zwischen dem Anspruch, niveauvolle Themen für die politisch und wirtschaftliche interessierte, selbstredend emanzipierte Frau zu bieten, und den konventionellen Mode-und Kosmetikratgebern, die sich hier über den gleichen Umfang erstrecken wie in jeder Frauenzeitschrift außer der Emma. Topmodel Heidi Klum versuchte auf der großen vivi@n-Prominentenparty anläßlich des Erscheinens der Nullnummer diesen Widerspruch aufzulösen: "Modelling", das Geschäft mit der Schönheit, sagte Klum, sei eben auch kein Kinderspiel, sondern ein verdammt harter Job. So einfach bekommt man "Business" und Make-up unter einen Hut.

Und schließlich will auch die erfolgreiche Brokerin und die gestreßte PR-Dame ein bißchen Entspannung finden. Zum Beispiel auf der Horoskop-Seite, die auch hier nicht fehlen darf. Kostprobe: "Steinbock – Er will traute Zweisamkeit und lädt Sie zum Essen ein." Daneben gibt es die Sparte "community", die ebensogut "Sonstiges" heißen könnte: Hier findet man neben einer auffallend schlecht geschriebenen Kolummne über "immer neue Kreationen aus den Parfümlabors" endlich auch den Bericht, der – und das ist der Gegensatz zu geistigen Schwesterblättern wie Amica oder Allegra – auf der Titelseite zumindest dieser ersten vivi@n fehlt: "Warum kommen Bad Boys in jedes Bett?" Also auch hier eine Besinnung auf Altbewährtes, der Griff in die populärpsychologische Sex-Kiste "Wie kriege ich ihn / warum kriege ich ihn nicht". Während die aktuelle Emma, vielleicht die einzige wirkliche Ausnahme-Zeitschrift für die Frau, ausführlich über Anti-Macho-Kurse berichtet und für das November-Heft eine Attacke auf "junge Rechte und den Männlichkeitswahn" vorgesehen hat, singt die emanzipierte vivi@n an dieser Stelle ein Lied auf den undomestizierten Wüstling, den erotischen "Womanizer", der eben nicht "bügelt, kocht und uns Tampons vom Einkaufen" mitbringt, sondern, würg, "mit Macht und dem Porsche-Schlüssel winkt".

Ansonsten gibt es neben reichlicher bunter Hochglanzwerbung ein "Zitat der Woche" (diesmal Paul Spiegel: "Wer den Holocaust überlebt hat, fragt sich nun, ob er wieder fort muß."), ein zweiseitiges "Money Info", ein dreißigseitiges Hauptthema "Asia-Fashion" unter dem Motto "East meets West", eine Auseinandersetzung mit der Frage "Wieviel Moral braucht die Politik?" ein In/Out- Barometer (mega-originell: out ist Handy-Geklingel im Theater im Konzert, in sind Fremdsprachen für Grundschüler, weil gut gegen Ausländerfeindlichkeit) sowie unter der Rubrik "weekend" ein Tip für den spätherbstlichen Kurztrip: Portofino, ligurische Küste, azurblauer Jachthafen, dort "vielleicht Ornella Muti oder Sting treffen, die gerne hier relaxen". Und genau das ist es ja, was ihr wirklich noch gefehlt hat, der neuen Frau.


 
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