© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/00 03. November 2000

 
"Ich liebe Deutschland!"
Jörg Fischer

Die Worte von Gabriele Zimmer waren eindeutig: "Ich bin doch nicht stolz, Deutsche zu sein. Ich lasse mich nicht in die Nähe von Leuten rücken, die mit diesem berüchtigten Ausruf eine bestimmte politische Grundhaltung zum Ausdruck bringen wollen." Trotzdem begann nach dem taz-Interview, in dem die neue PDS-Chefin diese klare Aussage machte, ein kleiner Sturm im linkssozialistischen Wasserglas. Denn der Ex-JungeWelt-Redakteur Jens König entlockte Genossin Zimmer auch diesen Satz: "Ich liebe Deutschland, und zwar ganz bestimmte Dinge, und ich hasse Deutschland. Das Laute, Aggressive, Arrogante mag ich an diesem Land gar nicht." Das war dann für manchen – etwa aus dem DKP-Milieu entstammenden – Genossen doch zu viel. Schon die letzte Parteitagsüberschrift "…daß ein gutes Deutschland blühe – Bert Brecht" löste heftige innerparteiliche Diskussionen aus. Der stellvertretende Chef der PDS-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gehrcke, konterte darauf in der Berliner Zeitung, der von Zimmer angestoßenen Debatte mangele es an "historischem Tiefgang", und sein Fraktionsgenosse Winfried Wolf orakelte in der Jungen Welt, daß die PDS durch diese Diskussion besonders im Westen Wähler verlieren könnte. Carsten Hübner, ebenfalls PDS-Bundestagsabgeordneter, wurde in der Jungen Welt noch deutlicher: "Ich denke aber trotzdem, daß Gabi Zimmer völlig falsche Eckwerte im Auge hat. Denn egal in welcher politischen Diskussion, ob in der Sozialpolitik, der Ökologie, der Migrations- oder der Wirtschaftspolitik: Die Nation kann aus meiner Sicht in keiner dieser Fragen ein Bezugspunkt für zukunftsfähige linke Politik sein."

Andererseits weiß die neue PDS-Führung aus einer Forsa-Umfrage, daß 59 Prozent der PDS-Anhänger der Meinung sind, daß in Deutschland zu viele Ausländer leben. Wenn sie einmal aufmerksam das PDS-Parteiprogramm studieren würden, wären diese 59 Prozent äußerst erschrocken, denn darin ist von "offenen Grenzen" für alle Mühseligen und Beladenen dieser Welt die Rede. Das soziale Füllhorn soll sich nicht nur für die "Verlierer der Einheit" öffnen, sondern gleichberechtigt auch für Asylanten und "Wessis". Das ist in den PDS-Hochburgen nicht zu vermitteln. "Die DDR habe ich als meine Heimat empfunden, das ist richtig. Sie war mein Land" – diese Aussage der früheren Parteisekretärin im VEB Jagdwaffen- und Fahrzeugwerk Suhl verstehen die PDS-Wähler hingegen. "Ich – und da steht meine Person für viele der jetzt jüngeren Leute in der PDS-Führung – hatte ein durchaus positives Verhältnis zur DDR. Ich habe mich zu ihr als meinem Land bekannt. Jetzt, wo es sie nicht mehr gibt, bin ich ein bißchen auf der Suche nach einem Ersatz" – auch das geht vielen PDS-Anhängern so. Und Zimmer geht noch weiter: "Ich will keine neue DDR, das ist Quatsch. Ich bin auf der Suche nach einer neuen Identität. Man kann Thüringerin, Europäerin, Weltbürgerin sein, wie man will – für mich gibt es darüber hinaus eine nationale Identität" – auch wenn das den westdeutschen Alt- und mitteldeutschen Neu-Linken in der PDS nicht paßt.


 
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