© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/00 03. November 2000


Wiener Spitzel
von Carl Gustaf Ströhm

Hat Österreich einen handfesten politischen Skandal – oder handelt es sich um das Aufbauschen (und politische Ausnutzen) banaler Verhaltensweisen, die heutzutage "unter der Hand" schon selbstverständlich sind?

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, also der höchste Polizeibeamte des Landes, hat elf Polizeibeamte vom Dienst suspendiert, die verdächtigt werden, Angaben über bestimmte Personen aus dem Polizeicomputer an Nichtbefugte weitergegeben zu haben. Unter den Suspendierten ist auch ein Polizeibeamter, der zum Personenschutz Jörg Haiders abgestellt wurde. Es soll sogar Geld im Spiel gewesen sein, und man hört die Version, FPÖ-Funktionäre sollten sich für die politisch-polizeilichen Einzelkeiten einiger Haider-Feinde, wie etwa des Kabarettisten André Heller, interessiert haben.

Ins Rollen kam die Geschichte durch ein Sensationsbuch eines ehemals zur FPÖ gehörenden Polizeibeamten namens Kleindienst. Der hatte behauptet, Politiker hätten den Polizeicomputer benutzt, um an "unangenehme" Details ihrer Konkurrenten heranzukommen. Die Peinlichkeit ist nur, daß es eine solche Praxis offenbar auch schon unter SPÖ-Innenministern gegeben hat. Ob die "Spitzelaffäre" genügend Brisanz (und Munition) liefert, um die schwarz-blaue Koalition zu sprengen, ist ungewiß, denn Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ÖVP) steht – sanktions- und wahlgestärkt – zum Bündnis mir den Freiheitlichen. Sicher ist nur eines: Jene, die heute die meisten Steine schmeißen, sitzen selber im Glashaus.


 
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