© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/00 03. November 2000

 
6.410 Mark pro Sendeminute
Rundfunk: Erhöhung der Zwangsgebühren geplant / Verschwendung und "Volksaufklärung" mit Milliarden
Ronald Gläser

Der jüngst bekanntgewordene Fall von Devisenspekulationen beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) ist nur die Spitze eines Eisberges von Verschwendung in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Daß erst jetzt zahlreiche sächsische Abgeordnete dieses Thema aufgreifen und sich einer weiteren Gebührenerhöhung widersetzen, ist eigentlich überraschend. Die Zwangsgebühren werden grundsätzlich von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Die deftige Gebührenerhöhung um 12 Prozent auf 31,58 Mark monatlich, die jetzt beschlossen werden soll, dürfte die Stimmung zum Kochen bringen.

Schon jetzt verweigern sich immer mehr "Schwarzseher" der Gebühreneinzugszentrale. In ihrer Selbstdarstellung behauptet die GEZ, sie "betreue" 37 Millionen Zuschauer. Diese Betreuung besteht allerdings ausschließlich im Einziehen der Gebühren nach dem Motto "Bei uns zahlen Sie in der ersten Reihe" und im Entsenden von Spitzeln zu Zahlungsunwilligen.

Über elf Milliarden kassieren die semistaatlichen Medienanstalten jedes Jahr ab. 2001 dürfte dieser Betrag auf 13 Milliarden Mark ansteigen. Das ist mehr als die Zuwendungen, die der öffentliche Rundfunk in Frankreich und Großbritannien zusammen erhält. Der Staatsminister für Kultur und Medien, Michael Naumann (SPD), bezeichnete die Existenz der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erst kürzlich wieder als zwingend erforderlich für eine demokratische und kulturell ausgewogene Medienlandschaft. Länder ohne Staatsmedien hätten demnach weder Kultur noch Demokratie.

Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien, die Sicherstellung einer Grundversorgung der Zuschauer mit Information, Kultur und Unterhaltung, wird ohnehin zumindest in Hinblick auf Information und Unterhaltung von den zahlreichen privaten Medien hinreichend wahrgenommen. Eine diesbezügliche Existenzberechtigung für ARD und ZDF, SFB und WDR gibt es schlicht und einfach nicht.

Statt dessen passen sich die öffentlich-rechtlichen Medien an das Niveau der privaten Sender an. In der ARD laufen mehrere eigenproduzierte Seifenopern wie "Lindenstraße" oder "Verbotene Liebe". ARD und ZDF leisten sich Boulevardmagazine wie "Brisant" oder "Leute heute", deren Niveaulosigkeit sich mit Sendungen wie "Explosiv" oder "Blitzlicht" messen kann. Mit solchen Sendungen, mit denen die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem Auftrag gerecht werden, konkurrieren sie allerdings dann wieder untereinander.

Solche Maßnahmen, deren Umsetzung sich an der Einschaltquote orientiert, werden mit dem gestiegenen Wettbewerb begründet. Aber im Wettbewerb schneiden die Staatssender ziemlich schlecht ab, wenn man die aufgewandten Mittel in Relation zum Erfolg stellt.

Ein Großteil der finanziellen Mittel fließt in die Personalkosten. Natürlich gehören die Beschäftigten in öffentlich-rechtlichen Sendern zu den bestbezahltesten der Branche. Die Besoldung erfolgt wie bei Beamten und sichert viele spätere Pensionsansprüche. Auch die Positionen in den praktisch wirkungslosen Kontrollinstanzen (Rundfunkrat) werden hoch dotiert.

Dabei sind es weniger die insgesamt 47 Auslandsstudios von ARD und ZDF, die so hohe Kosten produzieren, sondern vielmehr die großen Bürokratien und Verwaltungsapparate. RTL-Chef Thoma hat den Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Medien einmal auf den Punkt gebracht: "Die ARD braucht für sieben Minuten Unterhaltung 700 Angestellte, wir nur sieben Leute für 700 Minuten Unterhaltung."

Nach Minuten gerechnet, wandte die ARD 1994 6.410 Mark pro Sendeminute auf. Unterhaltung ist besonders teuer. So kostet ein eigenproduzierter Spielfilm über 17.000 Mark pro Minute, während die "Tagesschau" genau im Durchschnitt liegt. Von solchen Geldsummen können die privaten Sender nur träumen.

Die gesamte Medienlandschaft steht angesichts der Digitalisierung vor enormen Veränderungen. Über die Fernsehkabel, die Strom- und Telefonleitungen werden sich künftig digitale Datenpakete in ausreichender Bandbreite versenden lassen. Die Vergabe von Hörfunk- und Fernsehfrequenzen wird dann ein Schlachtfeld der Vergangenheit sein. Die auf der umfangreichen Ausstattung mit Frequenzen beruhende Stellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist dann ebenfalls Geschichte.

In Zukunft werden die elektronischen Medien noch stärker ausdifferenziert sein als bisher. Spartenkanäle und Fernsehen-auf-Abruf werden dem staatlich finanzierten Rundfunk das Wasser abgraben. Die Antwort von ARD und ZDF: Einstieg ins digitale Fernsehen, kostspielige Internetauftritte, teure Imagekampagnen, noch mehr Sender, alles finanziert durch noch höhere Gebühren.


 
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