© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/00 10. November 2000

 
Importierte Probleme aus dem Nahen Osten
Europa: Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist auf europäische Länder übergeschwappt
Ivan Denes

Syrien und Libanon haben Israel für die anhaltende Gewalt im Nahen Osten verantwortlich gemacht und Drohungen der israelischen Regierung zurückgewiesen. Der syrische Außenminister Faruk el Scharaa und sein libanesischer Kollege Mahmud Hammud verurteilten Israel vergangenen Samstag nach einem Gespräch in Damaskus für die seit fünf Wochen anhaltenden Unruhen, bei denen bisher fast 170 Menschen getötet wurden. El Scharaa erklärte, Israel müsse seine "unmenschliche Aggression" gegen die Palästinenser beenden.

Bei Aggressionen ganz anderer Art hingegen war es in den letzten Wochen hingegen merkwürdig still. "Wir waren enttäuscht von den öffentlichen Reaktionen: es gab keine Massendemonstrationen gegen rassistische Zwischenfälle wie in der Vergangenheit. Aber ich kann trotzdem die öffentliche Haltung erklären: die Leute haben das Gefühl, dies komme nicht aus der französischen Gesellschaft, deswegen ist es auch kein tatsächliches Problem der Gesellschaft, sondern ein Import der Probleme aus dem Nahen Osten." Mit diesen Worten beschrieb der Vorsitzende des Dachverbandes französischer Juden, Henri Hajdenberg, die Anschlagserie, die seit Ende September weltweit rollt. Hajdenbergs Aussage ist besonders wichtig, weil mehr als die Hälfte der insgesamt 200 weltweit im Oktober registrierten antijüdischen Anschläge in Frankreich stattgefunden hat. Mit der einen Ausnahme Rußlands lebt in Frankreich die größte Anzahl von Juden (über 700.000), aber auch eine vier Millionen zählende arabische Minderheit, in erster Linie nordafrikanischen Ursprungs.

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat eine statistische Erfassung der jüngsten Zwischenfälle in 20 Ländern erstellt. An zweiter und dritter Stelle, nach Frankreich, stehen Großbritannien und Belgien, mit 14 bzw. elf Zwischenfällen. Die Vereinigten Staaten, Kanada und Deutschland verzeichneten je neun Zwischenfälle. Dem Dokument des Wiesenthal-Zentrums zufolge – man kann dem Zentrum wahrlich keine prodeutschen Gefühle oder Ansichten ankreiden – haben nichtarabische antisemitische Elemente nicht in signifikanter Weise an diese Ereignissen teilgenommen. Es wurden lediglich sieben (also weniger als vier Prozent) Anschläge registriert, die von Neonazis ausgeführt wurden oder in denen diese eine wichtige Rolle gespielt haben sollen. Diese fanden, so das Wiesenthal- Zentrum, in Paris, in Antwerpen, Rom, Oss (Holland) und in Argentinien statt. Von Deutschland ist nicht die Rede. Und da das Wiesenthal-Zentrum bekanntlich enge Verbindungen zu verschiedenen Nachrichtendiensten hat, kann man davon ausgehen, daß die Anschläge von Düsseldorf und Essen ebenso auf das Konto der "Ablehnungsfront" gehen wie die Anschläge in anderen Ländern. Man weiß, daß sich vier Organisationen – Hamas, Hisbollah, Islamischer Dschihad und die Befreiungsfront des Ahmed Dschibril – zusammengetan haben, um diese weltumfassende Offensive zu starten. Man weiß auch, daß der Hisbollah-Beauftragte für Auslandsaktionen die Anschläge koordiniert und daß der Iran sie finanziert (so sein stellvertretender Außenminister).

Lediglich die bundesdeutschen Medien – von den Politikern lohnt es sich nicht zu reden, denn ihr Eifer, "politisch korrekt" zu handeln, hat längst jede Vernunft in den Schatten gestellt – sprechen weiter von dem Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge als Werk von Rechtsradikalen, im besten Fall von Springerstiefeln tragenden Jugendlichen. Und vor den diesjährigen Gedenkfeierlichkeiten zum 9. November nimmt keine deutsche Zeitung und kein deutscher Rundfunk- oder Fernsehsender die Aussage des Generalsekretärs des Jüdischen Weltkongresses, Israel Singer, auf, in der es hieß, in den letzten Wochen (seit Rosh Hashana, als die neue "Intifada" in Israel ausbrach, folgten die Anschläge sofort, was auch ein Beleg für eine Vorbereitung von langer Hand ist) seien mehr Synagogen abgebrannt worden als in der Kristallnacht.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen