© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/00 17. November 2000


LOCKERUNGSÜBUNGEN
FDGO
Karl Heinzen

Schon lange herrscht unter den demokratischen Parteien ein breiter Konsens darüber, daß die Bundesrepublik Deutschland eigentlich ein Einwanderungsland sein sollte. Uneins war man bis vor kurzem lediglich darüber, ob sie dies bereits ist. Die Grünen und große Teile der Sozialdemokraten verwiesen, nicht ohne Stolz, hier einen gehörigen Teil dazu beigetragen zu haben, auf die imponierenden Zahlen der Migrationsstatistik. Die Unionsparteien setzten dieser trivialen Faktizität die staatspolitische Weisheit entgegen, daß die Bevölkerung vor allem einen unbesorgten Lebensgenuß anstrebt und daher von ihren Politikern so lange über die wahren Verhältnisse getäuscht werden will, wie sie gerade noch getäuscht werden kann. Viele unbedachte Polemiken gingen hin und her, und insbesondere die Grünen vergaßen oft jedes Augenmaß für die Aufgabenteilung, auf die sich Demokraten einlassen müssen, wenn sie gemeinsame Ziele gegebenenfalls über die Köpfe intransingenter Populationen hinweg durchsetzen wollen.

Die rot-grüne Machtergreifung hat aber auch auf diesem Politikfeld für Beruhigung und Klarheit gesorgt. Das Regierungslager spricht das letzte Wort, wenn es darum geht, das Selbstverständnis unseres Landes zu definieren, und die Opposition nutzt die Chance, den Wählern Kompetenz und Verant- wortungsbewußtsein durch strikte Orientierung an der heutigen Wirklichkeit und weniger am früher vielleicht Wünschenswerten nicht nur zu demonstrieren, sondern eben auch zu verordnen. Für eine dynamische und schon auf kurzfristige Wirkung angelegte Politik, die darauf zielt, das ethnische Erscheinungsbild unserer Republik gründlich zu verändern, ist schließlich die Unterstützung der CSU viel wichtiger als beispielsweise jene der PDS. Alle Signale, die aus der Enkelschar von Franz Josef Strauß hier in jüngster Zeit zu vernehmen sind, deuten darauf hin, daß man sich dieser Aufgabe stellt und die Erwartungen nicht enttäuschen möchte.

Die Grünen wiederum sind gefordert, nun, da die Unionsparteien ihnen mit einer unerwarteten Anpassungsgeschwindigkeit so manche alte Position aus Oppositionstagen streitig machen, ihrerseits neue Zielvorgaben auf die Tagesordnung zu setzen. Dies fällt ihnen nicht schwer, zumal sie sich hier sogar ausnahmsweise treu bleiben können. Die "gesellschaftliche und politische Gestaltung von Einwanderung" soll sicherstellen, daß keine mögliche Immigrationsquelle unerschlossen bleibt. Erst die Multikulturelle Demokratie bringt die Grundwerte unseres Gemeinwesens in Sicherheit vor den Deutschen. Die Immigranten verfolgen daher nicht nur das legitime private Interesse, glücklich zu werden, sondern schaffen durch ihre Anwesenheit die Voraussetzung dafür, daß unsere Verfassung glaubhaft geschützt werden kann. Für bekennende Deutsche jedoch kann in unserem Gemeinwesen kein Platz sein: Wer deutsch ist, steht schwerlich auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.


 
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