© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/00 17. November 2000

 
Zum Entsetzen und zur Empörung der PDS
Ehrung der Lettischen Legion provoziert Forderungen, den baltischen Staat international zu ächten
Vineta Aizkalne

Rund eintausend Menschen, unter ihnen der lettische Verteidigungsminister Girts Kristovskis, haben vergangene Woche an einer Feierstunde auf dem Soldatenfriedhof von Lestene – rund hundert Kilometer von der lettischen Hauptstadt Riga entfernt – teilgenommen. Anlaß war die Einweihung eines Denkmals für die Landsleute, die in der Lettischen Legion der Waffen-SS gedient haben. Auch Armee-Oberbefehlshaber Gundars Abols war nach einem Bericht der baltischen Nachrichtenagentur BNS dabei zugegen.

Im Zweiten Weltkrieg standen etwa 146.000 Letten im Dienst des Deutschen Reiches, zirka 60.000 davon in der Lettischen Legion. Die meisten Letten wurden im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht in die Legion einberufen. In deutschen Diensten standen jedoch auch berüchtigte Freiwilligen-Kommandos, die an der Ermordung Zehntausender Juden beteiligt waren. Der Gedenktag für die Lettische Legion am 16. März war bis zum Vorjahr ein Feiertag. Nach scharfer internationaler Kritik mußte dieser 1999 aus dem offiziellen Kalender gestrichen werden. Die jährlichen Märsche der noch lebenden Legionäre durch Riga können hingegen unbehindert stattfinden.

Schon einen Monat zuvor hat sich der Erzbischof der evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands, Janis Vanags, vor die Angehörigen der Lettischen Legion gestellt, die während des Zweiten Weltkrieges in Uniformen der Waffen-SS auf deutscher Seite kämpften. Vor einer in der lettischen Hauptstadt abgehaltenen wissenschaftlichen Konferenz zum Thema "Die Lettische Legion in der Geschichte Lettlands" erklärte Erzbischof Vanags mit einem gewissen Hang zur Übertreibung, diese Lettische Legion werde in der Welt öfter und ausführlicher erwähnt als jede andere militärische Einheit des Weltkrieges.

Leider geschehe dies meistens entstellend und tendenziös, sagte der Erzbischof: "Unsere Soldaten sollen mit den Nazisten gleichgestellt werden, welche für Hitler und das Dritte Reich kämpften, oder mit jenen SS-Angehörigen, die sich brutaler Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben." In Wahrheit hätten aber die Legionäre für die gleichen Ziele gekämpft wie die Anti-Hitler-Koalition: nämlich für Freiheit und Demokratie, für ihre Häuser und Familien, für das Leben ihrer Lieben. Das schwere Schicksal habe die lettischen Männer dazu bestimmt, "für diese menschlichen und göttlichen Werte in einer Uniform kämpfen zu müssen, die in der ganzen Welt verhaßt war,". Das aber sei ihre Tragik, nicht ihre Schuld. Wörtlich sagte Vanags: "Sie kämpften für ein demokratisches Lettland in Europa." Das müsse in erster Linie den Letten selber gesagt werden, welche die Geschichte ihres Landes nicht genügend kennten. Das müsse aber auch den in Lettland lebenden Angehörigen anderer Volksgruppen gesagt werden, "damit sie sich nicht von Reden über die Wiedergeburt des Faschismus aufhetzen lassen". Auch müsse dies der Weltöffentlichkeit vermittelt werden, "damit niemand durch Berichte über angebliche SS-Aufmärsche in Riga verwirrt" werde. "Das achte Gebot sagt: Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten", schloß der Erzbischof seine Ansprache. "Die Kämpfer der Lettischen Legion haben ein Zeugnis verdient, das der Wahrheit entspricht."

Er hoffe, daß es der wissenschaftlichen Konferenz in Riga gelingen werde, ein solches Zeugnis zu formulieren "unserem Land zur Ehre und unserem Volk zum Segen".

Das war für Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion, zuviel. Er erklärte: "Mit Entsetzen und Empörung habe ich vernommen, daß hochrangige lettische Politiker an der Eröffnung eines Denkmals für die Angehörigen der lettischen SS-Legion im Zweiten Weltkrieg teilgenommen haben. Mit der Huldigung dieser verbrecherischen Vergangenheit durch die offizielle lettische Politik erfüllt Lettland nicht die Bedingungen für eine Aufnahme in die EU oder die Nato. Ich erwarte daher von Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer, sich auf europäischer Ebene für eine sofortige Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit Lettland einzusetzen."

Von denen kam bislang keine Reaktion in dieser Richtung. 1998 mußte der damalige Armee-Oberkommandierende Juris Dalbins seinen Dienst quittieren, weil er trotz gegenteiliger Anweisung der Regierung an einer Veranstaltung der Lettischen Legion teilgenommen hatte.


 
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