© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/00 24. November 2000


Lebensunwertes Leben?
von Pater Lothar Groppe SJ

Ein Urteil des obersten französischen Gerichts hat die Öffentlichkeit aufgeschreckt. Es sprach dem schwerstbehinderten Nicolas Peruche eine Entschädigung dafür zu, daß er geboren wurde. Geklagt hatte seine Mutter, weil ihr die Ärzte versichert hatten, die Röteln während ihrer Schwangerschaft bedeuteten keine Gefährdung für ihr ungeborenes Kind. Frau Peruche argumentierte vor Gericht: "Ich hätte das Kind abgetrieben, wenn die Ärzte mich rechtzeitig vor den Folgen dieser Krankheit gewarnt hätten." Die Ärzte hätten nach einer Reihe von Untersuchungen übereinstimmend erklärt, es bestehe keine Gefahr für das Kind. Die Mutter sei gegen Röteln immun.

Mit ihrem Urteilsspruch erklärten die Richter unmißverständlich, daß es in bestimmten Fällen besser sei, ungeborene Kinder "rechtzeitig" zu beseitigen. Niemand, der nicht völlig gefühllos ist, wird die seelische Belastung der Eltern mit einem debilen, tauben und blinden Kind bagatellisieren. Auch ist nicht zweifelhaft, daß die Pflegekosten die finanzielle Leistungskraft der Eltern übersteigen.

Es ist nicht mehr als recht und billig, daß der Staat ihnen durch angemessene Beträge beispringt. Aber er hat nicht das Recht, durch seine Gerichte zu dekretieren, daß behinderte Kinder erst gar nicht geboren werden dürfen, sondern als "lebensunwert" zu vernichten sind. Dies ist eine Rückkehr in die Barbarei, die wir nach dem Ende des Nationalsozialismus und Bolschewismus überwunden glaubten.


 
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