© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000


Rückzug zum Wähler
von Ekkehard Schultz

Daß bei der PDS die Ansichten der mehrheitlich "westlich" geprägtem Denken zuneigenden Parteispitze und ihren Wählern zu wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen gravierend auseinanderklaffen, ist schon seit langem kein Geheimnis mehr. Zahlreiche Meinungsumfragen belegen, daß die Mehrzahl der PDS-Wähler eine eher rigide Ausländerpolitik befürwortet, die Vorzüge eines Nationalstaates erkennt und einem Liberalismus westlicher Prägung, der sich in der Anerkennung der "Homo-Ehe" oder der Aufwertung von Graffitischmierereien zur Kunst ausdrückt, wenig abgewinnen kann.

Daß sich diese Tatsachen bei traditionell geprägten Funktionären aus den neuen Bundesländern längst herumgesprochen haben, beweist das derzeitige Verhalten der Partei. So fand der scheidende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Gysi, auf der Sondersitzung des Bundestages zum Jahrestag der deutschen Einheit zustimmende Worte für das "gesellschaftliche Ganze" – die Nation –, und PDS-Minister Holter äußerte erst jüngst Bedenken gegen einen unbegrenzten Ausländerzuzug.

Dieser neue Ton ist eine logische Konsequenz aus der Erkenntnis, daß die Ausdehnung der Partei in das Altbundesgebiet gescheitert ist. Mit der Einsicht, daß nicht die dortige hedonistisch geprägte Linke das Überleben der Partei ermöglicht, sondern eine treue mitteldeutsche Wählermasse, die sich von Westdeutschland zu Bürgern zweiter Klasse erniedrigt und gedemütigt fühlt, zeigt ein erhebliches Maß an Realitätssinn. Für die Erhaltung dieses Potentials wird dagegen der Westen – siehe Sebnitz – ganz von alleine sorgen.


 
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