© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
Kolumne
Feindbild Haider
von Andreas Mölzer

Jetzt, da das gnadenlos Gute und das Prinzip Heuchelei, wie es die political correctness predigt, die veröffentlichte Meinung dominiert, ist es natürlich unumgänglich, ein entsprechendes Feindbild, einen Bösen eben, dingfest machen zu können. Für den gelernten Österreicher ist dies gar nichts Neues, da er es gewöhnt ist, in jedem Kasperltheater – und die heimische Innenpolitik hat mit einem solchen mehr zu tun, als man glaubt – auch ein Krokodil vorgeführt zu bekommen.

Wer für die heimischen Gutmenschen seit nahezu 15 Jahren der Böse ist, steht außer Zweifel: Der blaue Bärentaler und seine Truppe. Und was hat man diesem "Gottseibeiuns" nicht schon alles nachgesagt: Daß er, der nichts so sehr genießt wie Wahlkämpfe, den "autoritären Führerstaat" errichten wolle. Und daß er, der Marathonläufer, der Kokainschnupferei verfallen sei. Daß er, der für einen Österreichpatriotismus eintritt, in Wahrheit ein rückwärtsgewandter, deutschnationaler Verharmloser des braunen Terrors sei und daß er, der Vater zweier Töchter, eigentlich "das andere Ufer" präferiere. Kein braunes Schreckgespenst war da grotesk genug, um nicht als Drohung aus dem Bärentale an die Wand gemalt zu werden. Wenn er nun plötzlich als Drahtzieher einer Spitzelaffäre – Staatsgeheimnisse wie die Verkehrsstrafen des André Heller wurden da ausspioniert – dargestellt werden soll, wundert dies wohl niemanden. Eine Justiz, die unter Druck der Zeitgeistmedien steht, muß nun nachweisen, daß sie der indessen zu Regierungsehren gelangten blauen Truppe keine Gefälligkeiten tut, und leitet Vorerhebungen ein. Wenn der Bärentaler dazu ironisch meint, er werde nun wohl demnächst in Untersuchungshaft genommen werden, muß das nicht ernst genommen werden. Wenn ein Oppositionspolitiker ihm zugespielte Informationen über Mißstände im Staate für seine politische Arbeit verwendet, ist dies gewiß nicht illegitim, solange er nicht selbst zur gesetzwidrigen Beschaffung des Materials angestiftet hat. Da gilt für den Politiker das gleiche wie für den Journalisten.

Keineswegs lächerlich ist allerdings die von Gegnern des Bärentalers erkennbare Absicht, diesen mittels der Spitzelaffäre politisch endgültig zu erledigen. Was man mit der Faschismuskeule bislang nicht geschafft hat, will man nun mit der Behauptung der gesetzwidrigen Informationsbeschaffung bewerkstelligen: den Bärentaler mundtot zu machen. Am lautstärksten empören sich da jene Kräfte, die ihrerseits nichts dabei fanden, wenn die seinerzeitige Oppositionstruppe durch Gesinnungsschnüffelei und Meinungsterror ebenso wie wohl auch durch persönliche und kollektive Bespitzelung sowie durch die Erstellung einschlägiger Dossiers und Handbücher bekämpft wurde.

 

Andreas Mölzer ist Herausgeber der Wochenzeitung "Zur Zeit".


 
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