© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/00 01. Dezember 2000

 
Anders lesen
Studie bringt neue Zahlen
(JF)

Im Zeitalter von Internet und Multimedia lesen die Deutschen zwar nicht viel weniger, dafür aber oberflächlicher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Stiftung Lesen, die bei einem internationalen Kongreß in Mainz vorgestellt wurde. "Die Schere zwischen ’Lustlesern‘ und ’Mußlesern‘ geht immer weiter auseinander", faßt der Leseforscher Bodo Franzmann die Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung von 2.350 Jugendlichen ab 14 Jahren zusammen, die mit einer Erhebung aus dem Jahr 1992 verglichen wurde.

Gerade für junge Menschen im Alter bis 29 Jahre gilt laut Studie: Wer häufig im Datennetz surft, nimmt auch gern und oft ein Buch in die Hand. "Die Computernutzung ist keine Verhinderung von Lesen", widerlegte Hans-Jürgen Hippler von der Zeitungs-Marketing-Gesellschaft ein verbreitetes Vorurteil. Von den jungen Computernutzern lesen 15 Prozent täglich in einem Buch, 40 Prozent geben sich mehrmals in der Woche der Lektüre hin, elf Prozent dagegen nie. Von denjenigen, die keinen PC benutzen, lesen nur vier Prozent täglich, aber 30 Prozent nie ein Buch.

Auch die Zahl der gelesenen Bücher klafft stark auseinander. So lesen 33 Prozent der Computerfreaks elf bis 20 Bücher im Jahr, neun Prozent von ihnen sogar bis zu 50 Bücher jährlich. Von den Nicht-PC-Nutzern liest dagegen fast die Hälfte (47 Prozent) nur ein bis fünf Bücher pro Jahr.

Generell hat die tägliche Buchlektüre in Deutschland in den vergangenen Jahren abgenommen. Seit 1992 sank der Anteil der täglichen Leser von 16 auf sechs Prozent. Am anderen Ende der Skala ging die Zahl der Nie-Leser nach oben: 28 Prozent aller Befragten gaben an, nie ein Buch in die Hand zu nehmen. Vor acht Jahren waren es erst 20 Prozent.

"Die Leser passen sich immer stärker an das Informationsüberangebot in der Mediengesellschaft an", sagt Klaus Ring, Geschäftsführer der Stiftung Lesen. Ein Großteil der Deutschen sei immer noch nicht ausreichend auf die Anforderungen des Informationszeitalters vorbereitet. "Das Betriebssystem für die neuen Medien ist das Lesen", betont Ring. Vor allem den Eltern kommt dabei laut Studie eine große Verantwortung zu. Die Schule könne Versäumnisse im Elternhaus kaum ausgleichen.


 
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