© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000


Zur Sache, Männer!
von Ekkehard Schultz

Ende vergangener Woche hat ein Berliner Verwaltungsgericht entschieden, daß die Prostitution von Frauen nicht als sittenwidrig zu erachten sei, solange diese freiwillig und ohne Zwang ihre Tätigkeit ausüben würden. Der konkrete Anlaß für die juristische Auseinandersetzung mit diesem Thema war der Betrieb eines Cafés im Berliner Bezirk Wilmersdorf mit vermietbaren Zimmern im Hinterhaus. Damit hat sich der dortige Richter nicht der Auffassung des Bundesverwaltungsgericht angeschlossen, daß die Würde der Frau auch gegen ihren Willen geschützt werden müsse. Der Beifall des Berliner Rotlichtmilieus ließ nicht lange auf sich warten.

Ist nun diese richterliche Entscheidung ein weiterer Beweis für den unaufhörlichen Niedergang der Sitten in unserem Land? Vielleicht. Und doch sollte es sich auch jeder (männliche) Konservative nicht zu leicht machen und die richterlicher Entscheidung allein unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Fakt ist, daß mehr als die Hälfte aller deutschen Männer schon mindestens einmal diesbezügliche "Dienste" in Anspruch genommen hat. Und was sind die Ursachen? Daß offensichtlich viele Herren im sexuellen Bereich weniger Frauen als vielmehr Objekte wünschen. Daß sich andere nicht getrauen, ihre Wünsche und Phantasien gegenüber der eigenen Ehefrau zu äußern. Und schließlich: daß die Prostituierte nur Wünsche erfüllt, aber gegen monetäre Vergütung auf jenen eigenen Lustgewinn verzichtet, den eine feste Geliebte ja fordern könnte. Das ist bequem, anonym und – feige. Wie lautete doch gleich der Bibelspruch mit der Schuld und dem Stein?


 
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