© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/00 08. Dezember 2000

 
Ingo Appelt
Korrekter Tabubrecher
von Manuel Ochsenreiter

Als der Fernsehsender Pro7 am 14. September dieses Jahres mit der "Ingo-Appelt-Show" auf Sendung ging, freute sich die Berliner Zeitung ganz besonders: "Mit seinem Humor, der gern ein Stück unter die Gürtellinie geht, trifft Ingo Appelt immer auf große Resonanz beim Publikum. Nun versucht sich der Comedian allwöchentlich mit einer eigenen Fernseh-Show. Man darf gespannt sein, ob Appelt seinem eigenen Ruf gerecht wird." Nicht einmal drei Monate später ist das Experiment schwer in die Hose gegangen.

Appelt, der sich selbst als einen "Comedian in einer aufklärerischen Position" sieht, bemüht sich nun schon seit Jahren, entsetzlich fies zu wirken. Der 33jährige gebürtige Essener, dessen Markenzeichen der Haarschnitt einer Gabriele Krone-Schmalz ist, startete seine Fernsehkarriere mit einer unoriginellen Papst-Imitation in Hans Meisers Show Anfang der neunziger Jahre. Appelt, der so gerne böse wäre, hält es tatsächlich auch noch heute für einen Tabubruch, als Hobby "ficken" anzugeben oder Helmut Kohl nachzumachen.

Wer Appelts Biographie auf seiner Internetseite liest, kann sich mit Leichtigkeit ein kleines Psychogramm über den ach so fiesen Komiker zusammenbauen. So wurde bei ihm im Alter von zarten zehn Jahren "die freundliche Gesamtschule" des Ruhrpotts gegen eine "reaktionäre Hauptschule" in Franken ausgetauscht. Nach der neunten Klasse verließ Ingo Appelt die Hauptschule, um eine Lehre zu beginnen. Diese führte ihn zu Siemens, wo er eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolvierte und Jugendvertreter der IG Metall wurde. Bereits 1990 unterstützte er beim Wahlkampf Oskar Lafontaine und die SPD. Danach folgten viele größere und kleinere Auftritte in Sendungen wie "7 Tage – 7 Köpfe" oder "RTL Samstag Nacht". Seine erste eigene Show hatte er am 3. Januar dieses Jahres, die sogar für den Grimme-Preis nominiert wurde.

Appelts Versuche, sich auch politisch zu profilieren, gehören ins Reich der Peinlichkeiten. Bei Aktionen gegen Rechts zeigt er sich stets Sozialpädagogen-kompatibel und bekennt sich zu "Zivilcourage" oder Antifaschismus.

Ab September sollte es so erfolgreich weitergehen, wenn – ja, wenn er nicht am 23. November bei seiner Show mit einer Baby-Puppe auf eine Torwand geschossen hätte, was vom Sender Pro7 als eine "geschmackliche Entgleisung" gewertet und mit sofortiger Absetzung der Show sanktioniert wurde. Wieso ausgerechnet dieser Vorfall dazu führte, wird wohl nie ganz ans Licht kommen, gab und gibt es doch schon immer nicht minder dämmliche Szenen in den einschlägigen "Comedy-Shows". Wahrscheinlicher ist, daß Appelts Show selbst den Programm-Machern von Pro7 zu seicht war, um ihr eine Zukunft zu prognostizieren. Aber bestimmt findet sich auch in Zukunft für Appelt ein lauschiges TV-Plätzchen, an dem er "mutig, frech und böse" die Tabus der frühen fünfziger Jahre brechen darf.


 
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