© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/00 15. Dezember 2000

 
Journalismus im Zwielicht
Der Kanzler, von den Medien eingeholt
Dieter Stein

Entschieden hat sich Doris Schröder-Köpf, Ehefrau des Bundeskanzlers, in einem Spiegel-Interview zu den Medien geäußert. Sie fordert eine Debatte über "journalistische Grenzen", es ginge nicht, daß Personen einfach so "in den Schmutz gezogen werden", ja, "auch für die Yellow Press gelten Gesetze". In den "seriösen Medien herrscht zum Glück eine gewisse Scheu, verleumderische Gerüchte zu veröffentlichen". Die ehemalige Journalistin geht noch weiter: "In den letzten Wochen sind diese dreisten Lügen so massiv aufgetreten, daß wir den Eindruck haben: da läuft eine Kampagne." Sie äußert eine schlimme Vermutung: "Ich habe inzwischen den Verdacht, daß diese Gerüchte durchaus auch von interessierter Seite aus Berlin gestreut werden."

Diese Äußerungen lassen aufhorchen. Rechnet hier die Kanzlergattin nach dem Debakel von Sebnitz schonungslos mit den Medien ab? Fordert sie Konsequenzen nach der Schlappe von Düsseldorf, wo ihr Ehemann vorschnell einen "Aufstand der Anständigen" gefordert hatte, indem er gemeinsam mit den Medien nach einem Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge einen rechtsextremistischen Hintergrund unterstellt hatte, inzwischen aber arabische Täter gefaßt wurden? Oder geißelt Frau Schröder die "Kampagne gegen Rechts", die von maßgeblichen Medien in diesem Sommer und Herbst hochgeschaukelt wurde?

Nein, bedauerlicherweise nicht. Vielmehr beschwert sich Frau Schröder – wohlgemerkt zu Recht – über den rüpelhaften Umgang der Medien mit der Ehe des Kanzlers. Ständig würden Gerüchte über eine Ehekrise gestreut, zudem schnüffelte ein Boulevardjournalist der Tochter des Ehepaares bis in die Schule hinterher. Sehr unappetitlich, wohl wahr.

Wer aber die Medien rücksichtslos im Meinungskampf zu instrumentalisieren weiß und sich in anderen Fällen nicht kritisch zu Wort meldet, muß sich nicht wundern und wirkt unglaubwürdig. Wo ist das Kanzlerwort nach dem Super-Schlamassel von Sebnitz? Schröder selbst hat die Mutter des im Sebnitzer Schwimmbad ums Leben gekommenen Jungen in Berlin empfangen und damit dem Thema eine besondere Dramatik verliehen. Schröder selbst hat wochenlang im Rahmen der "Kampf-gegen Rechts"-Kampagne Öl ins Feuer gegossen und die Medien mobil gemacht, "Gerüchte bedenkenlos zu veröffentlichen" (O-Ton Schröder-Köpf), um unbescholtene Bürger zu kriminalisieren.

Inzwischen scheint die Medienkampagne "gegen Rechts" an einem Kulminationspunkt angelangt zu sein. Das Vertrauen der Bürger in die Medien schwindet, es ist ein Widerwillen gegen immer neue Horrormeldungen über angebliche Naziüberfälle entstanden, die sich allzu oft als getürkt entpuppen.

Vielleicht kehrt das Kanzler-Ehepaar einmal selbstkritisch vor der eigenen Tür und überlegt sich, was es zur Entgiftung der Atmosphäre in Deutschland beitragen kann. Der Einsatz für eine objektive und seriöse Presseberichterstattung ist zweifellos lobenswert, nur sollte dieser Einsatz in alle Richtungen gehen.


 
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