© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/00 15. Dezember 2000

 
Georg Lewandowski
Gegner der Genossen
von Martin Lohmann

Den Nordhessen sagt man nach, sie würden auch einen Besenstiel wählen, wenn an ihm nur das Etikett "SPD" klebte. Die Ausnahme von der Regel ist Georg Lewandowski, erster CDU-Oberbürgermeister der Stadt Kassel, die bis 1991 noch von dem jetzigen Bundesfinanzminister Hans Eichel regiert wurde. Der roten Herrschaft überdrüssig, die sich damals durch bürgerfeindliche Arroganz auszeichnete, wählten ihn die Bürger 1993 in Direktwahl ins Amt und bestätigten ihn 1999 eindrucksvoll. Sinnbild der Genossenwillkür war die monströse "Treppe ins Nichts" auf dem zentralen Kasseler Königsplatz, ein Überbleibsel der Documenta-Ausstellung von 1992. Auf undurchsichtige Weise zum "Kunstwerk" erklärt, war sie zahlreichen Bürgern ein Dorn im Auge. Nicht zuletzt dieses Herrschaftssymbol – im Volksmund "Elefantenklo" genannt – wurde der SPD zum Verhängnis.

Georg Lewandowski, 1946 in Ostpreußen geboren, verdankte seinen Wahlerfolg gegen den ungeliebten Amtsinhaber Bremeier vor allem dem Wahlversprechen, diese Treppe schnellstmöglich abzureißen. Diesen Plan machte der Erbauer der Treppe, der Hamburger Architekt Gustav Lange, vorerst zunichte. Vor Gericht erstritt er das bundesweit für die Stadtplanung bedeutsame Urteil, daß das Urheberrecht eines Künstlers Vorrang habe vor dem Eigentümerrecht. Am 22. August dieses Jahres schaffte ein weiteres Urteil neue Fakten, wonach die Rechte der Stadt Kassel sehr wohl Vorrang haben. Lewandowski nutzte die Gelegenheit und ließ nur fünf Tage später in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das verhaßte Objekt abreißen. Das Ereignis wurde dort sechs Tage später unter großer Anteilnahme der Bevölkerung gefeiert. Von seiten der Linken, vor allem von SPD und Grünen, schlugen Lewandowski wütender Protest und Haß entgegen. Diese warfen dem Oberbürgermeister Rechtsbruch vor, da trotz des günstigen Urteils nach wie vor eine einstweilige Verfügung bestand, wonach die Treppe weiterhin Bestand habe. Hintergründig empfanden sie den Abriß wohl eher als einen schweren Angriff auf ihr elitäres Kunstverständnis und ihre Definitionshoheit über den Begriff "Kunst".

Pech für Lewandowski, sein eiliges Vorpreschen war wirklich Rechtsbruch. Aber in dieser Situation sah er keinen anderen Ausweg als die Flucht nach vorne. Das weitere Beschreiten des Rechtswegs hätte noch Jahre in Anspruch genommen. Das Kasseler Landgericht verfügte nun eine Ordnungsstrafe von 400.000 Mark. In erster Linie, weil die Stadt mit ihrem volksnahen Verhalten den Bürgern ein schlechtes Vorbild sei, in zweiter Linie wohl, um andere populistische Nachahmungstäter abzuschrecken. Lewandowski wird es ertragen können, er ist jetzt auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Nicht wenige Kasseler haben mit ihren Spenden dazu beigetragen, der Stadtkasse diese Last zu erleichtern.


 
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