© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001

 
Verbotene Farben
Der französische Schriftsteller Robert Brasillach wurde 1945 wegen "geistigen Landesverrats" hingerichtet
Werner Bräuninger

Es scheint ein Gesetz zu geben, nach dem gerade jene, die aus edlen Gründen die Freundschaft zwischen den Völkern fördern wollen, fallen müssen, während die niederen Geschäftemacher davonkommen." Mit diesen Worten umschrieb Ernst Jünger 1945 den Selbstmord Drieu la Rochelles und die Verfolgung Henry de Montherlants.

Zweifellos gehört zu diesen Verfemten und Verfolgten auch ein Mann, dessen sich die Résistance als einem der Ersten am 6. Februar durch Hinrichtung entledigt hatte: der französische Schriftsteller Robert Brasillach.

Brasillach, geboren 1909 als Sohn eines Kolonialoffiziers, war in der Zwischenkriegszeit eine der ganz großen literarischen Hoffnungen Frankreichs. Er absolvierte die Eliteschule ENS und machte sich schon bald einen Namen als Literaturkritiker in Zeitschriften wie L’Action Francaise und Nouvelle revue francaise. Er plädierte für eine "Neuschöpfung" des kritisierten Werkes und schrieb betont antiakademisch. Maßgeblich geprägt wurde der junge Brasillach von Charles Maurras, ohne freilich dessen Deutschenhaß zu teilen. Wie bei vielen intellektuellen jungen Schriftstellern Frankreichs war der 6. Februar 1934 eine einschneidende Erfahrung im Leben Brasillachs; die nationale Rechte stürmte das Parlament, oft faschistischen Ideen nahestehend, und bezahlte diesen Aufstand mit vierzehn Toten und zweitausend Verletzten. Oft sann Brasillach über die "verpaßte Gelegenheit" des 6. Februar nach. Verstärkt wurde sein politischer Selbstfindungsprozeß durch Reisen in Mussolinis Italien, wo er begeistert von dem neuen Lebensgefühl der Italiener, von den Abzeichen und Gesängen war. 1937 nahm er am Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg teil. Hitler und der NS faszinierten ihn vor allem wegen ihrer Fähigkeit, alte Mythen wie die germanische Sonnenwende in den Kontext des modernen Lebens zu integrieren. In Deutschland habe der "Kult einer spartanischen Jugend" die Nation erneuern können. Brasillach träumte von einer Revolte junger Eliten gegen die liberale Demokratie Frankreichs und deren materialistische Lebensauffassung. In erster Linie aber war der Faschismus für ihn eine völlig neue ästhetische Konzeption.

In diesen Jahren schuf Robert Brasillach ein umfangreiches Werk. Es entstanden seine Romane "Der Funkendieb", "Das Kind der Nacht", "Uns aber liebt Paris" und "Ein Leben lang". 1937 erschien "Die sieben Farben", in dem er die Schauplätze Paris, Florenz, Nürnberg und den spanischen Bürgerkrieg darstellt. In zwei Werken glorifizierte er die Falangisten und die national-spanische Armee des Generals Franco. Bereits 1935 hatte er zusammen mit Maurice Bardèche die weltberühmt gewordene "Histoire du cinéma" veröffentlicht. Als Leutnant geriet er 1940 in deutsche Gefangenschaft, aus der man ihn jedoch bald wieder entließ, damit er das Amt des "Generalkommissars für das Filmwesen" übernehmen konnte. Als Anhänger Marschall Pétains übernahm er die Chefredaktion von Je suis partout, dem einflußreichsten Organ der deutschfreundlichen geistigen Elite Frankreichs. Er traf mit Otto Abetz, Arno Breker und Ernst Jünger zusammen. Als er jedoch meinte, daß die Deutschen zu viel Einfluß auf die Linie seines Blattes nähme, verließ er die Redaktion. 1941 erschien ein autobiographisches Erinnerungsbuch an die Jahre 1929–39 unter dem Titel "Notre Avant-Guerre" (Unsere Vorkriegszeit).

Als sich das Kriegsglück von Deutschland abwandte und die Alliierten auf Paris marschierten, lehnte Brasillach es ab, nach Sigmaringen zu fliehen, wo sich eine französische Exilregierung faschistischen Geistes etablierte. Nach der Einnahme von Paris stellte sich Brasillach freiwillig der Justiz. Daraufhin wurde er sofort verhaftet und in das Gefängnis von Fresnes verbracht. Dort schrieb er sein politisches Vermächtnis, das nach dem Kriege als "Lettre à un soldat de la classe soixante" erschien; ein scharf antikommunistischer Text, ein fiktiver Brief an einen vierjährigen Jungen, der im Jahr 1960 wehrpflichtig sein würde.

Über den Faschismus schrieb er resigniert: "Es ist lange her, daß wir dachten, der Faschismus sei eine Poesie, sogar die Poesie des 20. Jahrhunderts." Das Unglück der Demokratie sei es gewesen, die Nation der Bilder beraubt zu haben – Bilder, die man lieben, achten, anbeten könne. Nach nur einem Verhandlungstag wurde Brasillach im Januar 1945 wegen "geistigen Landesverrates" zum Tode verurteilt. Unschuldig, wie Ernst Jünger in seinem Tagebuch notierte: "obwohl er nur aus Liebe zu seinem Vaterland handelte". Trotz der Gnadengesuche zahlreicher namhafter Intellektueller, unter ihnen Cocteau, Valéry, Claudel, Anouilh und Camus, lehnte General de Gaulle eine Begnadigung ab. Am 6. Februar 1945 wurde das Urteil vollstreckt. Robert Brasillachs Liebe hatte verbotenen Farben gegolten.

 

Werner Bräuninger ist Autor des Buches "Strahlungsfelder des Nationalsozialismus. Die Flosse des Leviathan".


 
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