© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/01 12. Januar 2001

 
PRO&CONTRA
Den Staat Preußen wiedergründen?
Markus-Wilhelm Weingartz / Wilken Weseloh

Die historisch einmalige Chance, mit der Fusion der Bundesländer Berlin und Brandenburg den preußischen Staat wiederzubegründen, sollte genutzt werden.

Nicht nur, daß man durch diese Namensgebung an historische Traditionen anknüpfen würde, man würde auch ein Zeichen setzen, welches weit in die Zukunft weist. Die preußischste Maxime war wohl die von Kants kategorischem Imperativ, welcher besagte, daß das eigene Handeln als Beispiel für das Handeln der Allgemeinheit gelten könnte. Damit sollten Tugenden wie Demut, Pflichterfüllung und Ordnungsliebe vorgelebt werden, die als preußische Tugenden in die Geschichte eingingen. Aber auch das Vorleben von Toleranz in vielerlei Dingen war preußisch, so daß Extremismus und Fremdenfeindlichkeit in Preußen keinen Platz hatten. Der preußische Staat setzte somit Maßstäbe, die gerade auch heute, in der freiheitlich verfaßten Demokratie der Bundesrepublik Deutschland von unschätzbarem Wert sind.

Getreu dem Motto, daß man "in Freiheit zu dienen" habe, widersetzten sich viele Preußen oftmals und zuletzt am 20. Juli 1944 staatlicher Willkür und politischer Tyrannei. Es war die preußische Monarchie, welche schon im 18. Jahrhundert mit dem "Allgemeinen Preußischen Landrecht" den Rechtsstaat verwirklichte. Die preußischen Könige schufen einen Musterstaat, der schließlich im Jahre 1871 die deutsche Einheit verwirklichte.

Auch heute noch sollten preußische Tugenden zum Wohle der Demokratie geübt und vorgelebt werden. Es wäre nicht nur ein Zeichen für staatliche Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber Anderen, sondern es würde den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes in eine positive deutsche Tradition setzen. Und dazu wäre die Wiederbegründung des preußischen Staates das richtige Zeichen, zumal auch durch Abschaffung überflüssiger Länderverwaltungen preußische Sparsamkeit walten könnte und damit der Haushalt entlastet würde.

 

Markus-Wilhelm Weingartz ist Vorstandsmitglied der AG "Tradition und Leben" und Chefredakteur der Zeitschrift "Erbe und Auftrag".

 

 

Die preußischen Verdienste in der deutschen Geschichte dürfen nicht geschmälert werden. Doch ist eine alte Volksweisheit gültig: "Das Unrecht ist der Völker Verderben!" Der unmoralische Erfolg und die "Macht vor Recht"-Politik des Hauses Preußen durch dessen Vollstrecker Kanzler Bismarck (1866/1871 – "Blut und Eisen") und die Pervertierung der ursprünglichen preußischen Tugenden in den Jahren 1918, 1933 und nach 1945 haben dem "Alten Preußen" schweren Schaden zugefügt und machen eine Rückbesinnung auf Tugend und Staat nachgerade unmöglich. Schon der Kronprinz von Preußen, der damalige angehende Kaiser Friedrich III., gab in seinem Kriegstagebuch des Jahres 1870 seiner Überzeugung Ausdruck und schrieb folgendes: "Als ein Volk von Eroberern und Zerstörern stehen wir da, weder geliebt noch geachtet. Bismarcks Ränke und Intrigen haben den Sieg einer guten Sache geschädigt. Wie schwierig wird es sein, die blinde Anbetung der Gewalt und des äußeren Erfolges zu bekämpfen, die Gemüter aufzuklären, Ehrgeiz und Wetteifer wieder auf schöne und gesunde Ziele zu lenken!"

Welchen Grund sollte es also geben, noch einmal etwas künstlich erstehen zu lassen, was schon ein Kronprinz für tot erklärte? Der Tugenden wegen? Die aktuellen "preußischen Tugenden", die man insbesondere mit den Männern und Frauen des 20. Juli 1944 in einem Atemzug nennt – Ehre, Anstand und Moral – sind zuallererst einmal auch welfische Tugenden.

Mit der offiziellen Auflösung des Staates Preußen durch Artikel 46 des alliierten Kontrollrates entstand am 23. August 1946 auf dem Gebiet unter anderen das Land Hannover/Niedersachsen in der späteren föderalen Bundesrepublik Deutschland. Die Frage der Geschichte bleibt nicht, ob Deutschland an Preußen oder Preußen an Deutschland scheiterte. Es geht darum, Deutschland mit preußischen Tugenden in Legitimität zu füllen.

 

Wilken Weseloh ist Mitglied des Welfenbundes und war von 1990 bis 1998 Geschäftsführer der Deutschen Partei.


 
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