© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/01 12. Januar 2001

 
Schwere Zeiten für Vaterlandslose
PDS: Gregor Gysi will erneut für den Bundestag kandidieren / Debatten um die Begriffe "Volk" und "Nation" / Interne Spannungen werden abgestritten
Steffen Königer

Nicht nur bei Sportlern wie Lothar Matthäus scheint es üblich, vom Rücktritt zurückzutreten. Der langjährige PDS-Guru und Ex-Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi wird höchstwahrscheinlich auch bei der nächsten Bundestagswahl wieder für seine Partei in die Bresche springen. Der Grund liegt auf der Hand: Die Partei braucht Köpfe, die einen Absturz unter fünf Prozent und den Verlust von Direktmandaten vermeiden können. Gysi ist solch ein Kopf. Schon bei der ersten Bundestagswahl der PDS im Jahr 1990 war Stefan Heym der Garant dafür, daß es mit nur 2,3 Prozent bundesweit möglich war, als Gruppe in den Bundestag einzuziehen. Die nun neu gestalteten, zusammengefaßten Wahlkreise für die Bundestagswahlen des nächsten Jahres könnten einen Wiedereinzug in das Parlament in weite Ferne rücken. Ist doch auf diese Weise eine Wiedererlangung der fünf Direktmandate von 1998 als utopisch zu bezeichnen. Zudem fallen PDS-Wählergruppen aus demographischen Gründen weg, auch die Mitglieder sind im Altersdurchschnitt über den anderen Bundestagsparteien anzusiedeln. So sieht sich das multimediale Talent Gysi dazu berufen, über seine erneute Kandidatur im Herbst diesen Jahres zu entscheiden. Unklar bleibt, ob sich Gysi nur Streicheleinheiten von seinen Genossen holen möchte, ob es ihm wirklich um das parlamentarische Überleben der Partei geht oder nur um eine simple Zahlenspielerei: Schließlich hätte Gysi nach 16 Jahren im Bundestag vollkommen ausgesorgt, denn nach vier Legislaturperioden gibt es den Höchstsatz an Pension. 64 Prozent seiner Diät werden bis an sein Lebensende weiterbezahlt.

Derweil ist die PDS vor Streitigkeiten keinesfalls gefeiter als alle anderen. Die Nachfolgerin des ehemaligen Vorsitzenden Lothar Bisky, Gabriele Zimmer, zankt sich auch weiterhin mit den Parteigenossen um die Position der PDS zu dem Begriff "Nation". Zimmer und Dietmar Bartsch wollen die PDS mit Begriffen wie "Volk" und "Nation" zu einer Volkspartei umfunktionieren. Begann Bartsch mit seinem provokanten Parteitagsmotto "Daß ein gutes Deutschland blühe" (JF berichtete), setzte dann die frischgewählte Parteivorsitzende mit "Ich liebe Deutschland" noch eins drauf. Die von beiden auf diese Weise versuchte Öffnung der Partei von einer Sparten- zu einer Volkspartei veranlaßte den Thüringer Bundestagsabgeordneten Carsten Hübner zu scharfer Kritik. In der Welt vom 9. Januar ist zu lesen, daß es ihn nicht schrecken würde, ein vaterlandsloser Geselle zu sein. Hübner meinte weiter, die Doktrin der Vaterländer und der nationalen Interessen hätte schon genug Elend über die Welt gebracht. Es ist wohl auszuschließen, daß Hübner damit sein "Vaterland DDR" gemeint hat, denn diese Begrifflichkeiten hatten auch unter den Kommunisten Hochkonjunktur. Weiter mokiert Hübner die mangelnde Reflexion Zimmers über den Begriff "Nation" – die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hätte dies wenigstens getan.

Auch der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Roland Claus, konterte in der Berliner Zeitung die Deutschland-Äußerungen seiner Parteichefin mit den Worten: "Dieses Bild ist besetzt und muß nicht von uns kommentiert werden." Es bleibt abzuwarten, ob die PDS fähig ist, sich den offensichtlich zutagegetretenen innerparteilichen Auseinandersetzungen zu stellen. Noch werden von Zimmer sowie von Bartsch Spannungen bestritten. Nach offiziellen Verlautbarungen heißt es nur, daß parteiinterne Sitzungen deshalb so lange dauern würden, weil man sich nicht auf den Zeitpunkt der Erstellung eines neuen Parteipogrammes für die Bundestagswahlen 2002 einigen könne.


 
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