© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/01 12. Januar 2001

 
UMWELT
Das Schoßschweinchen
Volker Kempf

An Deutschlands beliebtestem Hundeauslaufterrain, dem Grunewaldsee in Berlin, soll kürzlich ein Spaziergänger mit einem Schwein an der Leine gesichtet worden sein. In der Tat: Rationale Gründe dafür, daß Menschen Hunde zum Haus- und Schmusetier machen, nicht aber Schweine, gibt es nicht. An Intelligenz und Einfühlungsvermögen stehen Schweine Hunden nicht nach. Daß der Hund zum liebsten Haustier der Deutschen wurde, mag kulturell bedingt sein. Und Kulturen können sich ändern. Es wird bereits gemunkelt, in einigen Baumärkten könne man schon sogenannte "Mini Pigs", also kleingezüchtete Schweine kaufen. Da muß wohl etwas dran sein. Sogar der US-Onlinedienst AOL wartete in diesen Januartagen auf seinem Nachrichtentableau mit dem Aufmacher auf, jetzt seien "Mini Pigs" in – "Haben Sie auch schon eines?"

Der Frage "Wie kam der Mensch auf den Hund?", welche Konrad Lorenz einmal stellte, folgt nunmehr die Frage: "Wie kam der Mensch auf das Hausschwein?" Auffällig ist, daß ein Nutztier gewissermaßen zum Schoßhund wird. Dies in einer Zeit, in der die Nutztierhaltung immer mehr für Empörung sorgt, weil die Tiere wie fleischproduzierende Maschinen, nicht aber wie empfindsame Wesen behandelt werden – hinzu kommt das große Fragezeichen über die Ursachen der Rinderseuche BSE. Ein Schwein ist auch ein Tier wie jener Hund vom Nachbarn, der Fürsorge verdient. Dies ist die Botschaft eines jeden Spaziergängers mit Schweinchen an der Leine. Wenn von Haushunden auf Hausschweine umgeschwenkt wird, senkt dies zudem den hohen Hundefutter- und damit Fleischverbrauch in Europa. In der Tendenz eine gute Sache, mag man über den Sinn der Haustierhaltung an sich auch geteilter Meinung sein.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen