© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
Zensur der Kunst
von Ekkehard Schultz

Ist Kunst, die in Zeiten diktatorischer Herrschaftssysteme entstand, nicht mehr der Masse kunstinteressierten Publikums, sondern nur noch wenigen Experten zumutbar? Blickt man auf die großen Ausstellungen der letzten Jahre, erscheint diese Frage geradezu lächerlich. Das Thema Kunst in totalitären Regimen zieht magisch Besucher an, wie das große Interesse an den Präsentationen "Kunst und Diktatur", "Die Gewalt der Kunst" oder auch an der großen Weimarer Kunstausstellung des Jahres 1999 bewies. Gerade in ihnen manifestierte sich dem unvoreingenommenen Besucher, daß es ein einfaches Urteil über die Kunst in totalitären Regimen nicht geben kann. So hatte fast jede der großen Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts neben politischem oder kulturellem Kitsch auch Werke hohen künstlerischen Anspruchs zu bieten.

Unter Berücksichtigung dieses Standpunktes sind die jüngsten Absagen zweier geplanter Kunstausstellungen, einerseits über das Werk des DDR-Künstlers Willi Sitte im Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg und andererseits der Weltkriegszeichnungen des Chemnitzer Künstlers Buchheim im dortigen Schloßbergmuseum, nahezu unverständlich. Mit fadenscheinigen Argumenten demonstrieren die Ausstellungsverantwortlichen hier eine Haltung, die wohl kaum anders als mit vorauseilendem Gehorsam, Feigheit und nicht zuletzt Entmündigung des kunstinteressierten Bürgers zu kennzeichnen ist. Wo bleibt hier die gerade in unseren Tagen fast apologetisch beschworene "Freiheit der Kunst"?


 
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