© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
Die reichen Freunde der Arbeiterpartei
Großbritannien: Ein neues Gesetz soll für mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung sorgen
Derek Turner

Tony Blairs Labour-Partei hat seit ihrem Regierungsantritt 1997 ein unerwartetes Talent an den Tag gelegt, reichen Geschäftsleuten Spenden abzulocken. Das paßt den Konservativen, die derzeit sehr unter finanziellen Problemen leiden, natürlich überhaupt nicht. Fast genausowenig gefällt es aber vielen Labour-Anhängern, die schon aus Prinzip etwas gegen reiche Geschäftsleute haben. In letzter Zeit haben größere Spenden an die Labour-Partei eine Regierung ziemlich ins Schwitzen gebracht, die dereinst mit dem Versprechen angetreten war, in bezug auf Parteifinanzen eine lupenreine Weste zu behalten.

Am 31. Dezember letzten Jahres stand im Sunday Telegraph zu lesen, Labour habe einen mysteriösen Spender, der der Partei zwei Millionen Pfund (ca. 6,2 Millionen Mark) zukommen ließ, kurz bevor ein neues Gesetz über die Offenlegung der Parteispenden Gültigkeit erlangen sollte. Diese Eröffnung erwies sich als so schädlich, daß die Partei sich gezwungen sah, den Namen des Spenders bekanntzugeben. Um neuen Negativ-Schlagzeilen vorzubeugen, ging Labour am nächsten Tag in die Offensive und nannte die Namen zwei weiterer Spender, die der Partei jeweils zwei Millionen Pfund zur Verfügung gestellt hatten. Die Linke, die schon seit langem in der Politik und der Kultur die Nase vorn hat, übertrumpft inzwischen die Rechte auch im finanziellen Bereich: Labour hat mehr Millionenspender als die Konservativen.

Im Jahre 1994 wurde der sogenannte Nolan-Ausschuß gegründet, um " aufgekommene Bedenken bezüglich des einwandfreien Verhaltens aller öffentlichen Amtsträger zu überprüfen, einschließlich ihrer finanziellen und kommerziellen Aktivitäten". Im November 1997 beauftragte die Labour-Regierung den Ausschuß, der mittlerweile nach seinem neuen Vorsitzenden in "Neill-Ausschuß" umbenannt worden war, sich mit "Fragen der Parteienfinanzierung zu beschäftigen". Im Oktober 1998 gab der Ausschuß vierzehn Empfehlungen. Darunter waren obligatorische Wirtschaftsprüfungen und transparente Buchhaltung für alle Parteien, die Veröffentlichung aller Einzelpersonen und Firmen, die über 5.000 Pfund spendeten, das Verbot anonymer Spenden in Höhe von mehr als 50 Pfund sowie "schwarzer Konten", deren Einzahler theoretisch nicht einmal der Parteispitze namentlich bekannt sind. Inzwischen hat die Regierung die Neill-Empfehlungen angenommen, so daß sie zum 16. Februar dieses Jahres rechtskräftig werden.

In der Zwischenzeit hat Labour die eigene Weste keineswegs lupenrein halten können. Der für Handel und Industrie zuständige Minister trat zurück, nachdem bekannt geworden war, daß er unter dubiosen Umständen ein Darlehen erhalten hatte. Die Regierung mußte eine Spende in Höhe von einer Million Pfund zurückgeben, die sie von dem Vorsitzenden der Formel Eins bekommen hatte. (Kurz nach Erhalt der Spende verschob die Regierung ihr Vorhaben, Zigarettenwerbung bei Autorennen zu verbieten.) Kritik rief auch die Tatsache auf, daß elf großzügige Labour-Spender geadelt wurden. Ein Geschäftsmann, der an dem Verkauf des Milliardengrabs "Millennium Dome" sehr gut verdienen wird, spendete der Regierungspartei 30.000 Pfund, als die Verhandlungen über den Dome noch im Gang waren. Dies sind nur die aufsehenerregendsten von vielen Geschichten und Gerüchten, die die Korruptionsskandale der konservativen Major-Regierung nebensächlich erscheinen lassen. Am 8. Januar gab die Regierung bekannt, sie werde eine parlamentarische Untersuchung der Parteienfinanzierung anberaumen – allerdings erst nach den Wahlen. Diese Taktik soll ganz offensichtlich dazu dienen, eine der Regierung unangenehme Diskussion zu verzögern.

Labour hatte 1999 ein Gesamteinkommen von 22 Millionen Pfund. Davon kamen 8,9 Millionen von privaten Spendern, 6,1 Millionen von den Gewerkschaften, 3,7 Millionen von den Mitgliedern und der Rest aus kommerziellen Aktivitäten. Die Partei hat jedoch Schulden in Höhe von zwei Millionen Pfund, jährliche Ausgaben von 25 Millionen Pfund und benötigt weitere 15 Millionen für den diesjährigen Wahlkampf. Obwohl Labour nach wie vor die mitgliederstärkste britische Partei ist (387.000 gegenüber 300.000 Tory-Mitgliedern), schrumpft die Mitgliederzahl ständig und mit ihr auch das Einkommen der Partei. Auch die Gewerkschaften wollen Labour nur mit acht – statt der erhofften zwölf – Millionen Pfund unterstützen.


 
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