© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
Zeitschriftenkritik: Novo
Ratlos in den Löchern
Werner Olles

Wenn ein Zweimonats-Magazin schon im Editorial verspricht, "das Forum einer offenen intellektuellen Auseinandersetzung ohne Tabuisierung und Selbstzensur" zu bieten und sich gegen "Zensur, Verbots- und Ausgrenzungsdenken" zu stellen, muß es sich kräftig ins Zeug legen, um dann nicht doch voll aus der Kurve zu fliegen. Novo (Untertitel: "Politik, Gesellschaft, Wissenschaft") neigt jedoch dazu, durch bedeutungsheischende Texte, die zwar tiefe Löcher reißen, in denen man dann meist etwas ratlos herumsitzt, die eigenen Inspirationsquellen so zu überhöhen, daß bereits jede bescheidene Kritik an den gängigen Wahrnehmungsmustern als interessanter "Hype" oder zumindest als ganz radikale Positionsbestimmung daherkommt.

Und in der Tat ist manches recht putzig, zum Beispiel Matthias Heitmanns Beitrag über die faulen Motive der rot-grünen Konzepte vom "lebenslangen Lernen", die ja realiter für den einzelnen Menschen nichts anderes bedeuten als das eigene Eingeständnis seiner ewigen Unmündigkeit. In der Sichtweise unserer politischen Klasse und der von ihr gemästeten "Bildungs"-Industrie bedürfen die lebenslänglich lern- und therapiebedürftigen Modernisierungsopfer jedoch neben professioneller Führung vor allem ethisch-moralischer Zielsetzungen, um den Traditionsverlust der modernen Gesellschaft durch "Bildung" auszugleichen.In dieses Bild paßt auch, daß jugendlichen Arbeitslosen von den Ämtern immer häufiger statt Arbeitsplätzen therapeutische Betreuung angeboten wird, wie man in einem anderen Beitrag liest.

Am Beispiel des EU-Kommissars Martin Bangemann, dessen eigentliches Aufgabengebiet die Deregulierung der europäischen Telekommunikationslandschaft war, der aber ganz entgegen seinem Titel nichts und niemanden kontrollierte, sondern dessen Barockfigur abwechselnd "in Brüssler Freßtempeln, auf seiner spanischen Finca oder seinem Segelschiff" gesichtet wurde, singt Dirk Max, offensichtlich ein Verehrer des Marxschen Schwiegersohns Paul Lafargue, "Ein Lob der Faulheit". Das segensreiche Nicht-Wirken "des schillernden und vorzeitig beurlaubten Faulpelzes" Bangemann kann heute jedenfalls jeder auf seiner sinkenden Gebührenrechung ablesen. Und weil dazu in gleichem Maße die Zahl der Beschäftigten in der Telekommunikationsbranche kontinuierlich anstieg, darf wohl – auch wenn die Einsicht wehtut – mit Fug und Recht behauptet werden: "Nichtstun schafft Arbeitsplätze!"

Natürlich ist die Stilfigur der Ironie und des Zynismus, die Novo pflegt, ein durch und durch linkes Gewächs, aber warum auch nicht? Das wird nur dann mal ein bißchen peinlich, wenn sich die Zeitschrift auf die penetrante Suche nach der längst verwehten Welt des deutschen (Klein)bürgertums macht. Ansonsten widmet man sich hier lieber unter dem launigen, aber gleichwohl recht zutreffenden Motto "Warum sachlich, wenn’s auch persönlich geht" gekonnt und mit Verve solchen Lichtgestalten wie Rudolf Scharping, Cem Özdemir, Angela Merkel oder Otto Schily, was einem als Leser auch sehr viel mehr Spaß bereitet.

Alexander Horn Verlag. Postfach 60 08 43, 60338 Frankfurt. Einzelheft: 9,80 Mark, Jahresabo: 55 Mark


 
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